berliner szenen: Currywurst ist auch Kultur
Bei einem Spaziergang über die Kantstraße erfahre ich, dass hier die Currywurst entstanden sein soll. Da die Currywurst schließlich so zu Berlin gehört wie die von den Hugenotten mitgebrachten Buletten oder der in Nähe des Zoos erfundene Döner, mache ich mich spontan auf die Suche nach ihrem Geburtsort. Im Internet lese ich, dass die Bude, in der Hertha Heuwer die Chillup-Soße entwickelte, die den Geschmack ausmacht, an der Ecke zur Kaiser-Friedrich-Straße stand und dort eine Tafel an sie erinnert.
An den Straßenecken aber finde ich keine Tafel. Ich will gerade aufgeben, als mein Blick auf eine Imbissbude auf dem Stuttgarter Platz fällt. Wenn jemand etwas wissen müsste, dann doch die Leute am Imbiss, denke ich. Also frage ich die Verkäuferin nach der Bude.
Sie lächelt: „Sie stehen davor.“ Und erzählt, dass die Bude umgestellt worden sei: „Aber sie ist noch die alte. Alle Bretter von damals.“ Ich hätte Glück gehabt: „Bald gibt es uns nicht mehr. Der Pachtvertrag endet mit dem jetzigen Pächter. Und der hört auf.“
Currywurst und Co seien vom Senat nicht mehr gewollt: „Stattdessen sollen Bäume gepflanzt werden.“ Sie seufzt: „Die da oben haben doch keene Ahnung. So ’ne Currywurst ist Kultur. Die muss man anner Bude essen. Nur anner Luft schmeckt die so, wie se muss. Currywurst in irgend’nem neumodischen Restaurant geht gar nich.“ Der Imbissstand, meint sie, gehöre auch schlicht zur Kantstraße: „Früher waren hier lauter so Buden.“
Tage später steht ein Mann in der Bude. Als ich einen Kaffee bestelle und noch mal frage, ob dies echt die Originalbude von Hertha Heuwer sei, runzelt er die Stirn: „Quatsch mit Soße. Die stand da, wo jetzt das Schild ist. Wer hat Ihnen so einen Humbug erzählt?“ Dass die Bude jetzt schließen müsse, stimme aber. Eva-Lena Lörzer
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