berliner szenen: Vorsicht bei Rucksäcken
Als ich aus dem Bioladen am Nordbahnhof komme, fallen mir zwei Jungs auf, vielleicht zehn oder elf Jahre alt, die auf der freien Fläche zwischen Laden und Tramstation Skateboard fahren. Es ist schon halb acht. Sie sind wohl allein hier.
Der eine macht krasse Tricks mit dem Board, der andere filmt ihn mit dem Handy. Mitten auf der freien Fläche, gleich neben den Tramschienen, steht ein Rucksack. Er sieht aus, als hätte ihn da jemand vergessen. Aber vermutlich gehört er einem der beiden. Ich denke, dass sie sicher gar nicht mitbekommen würden, wenn jemand den Rucksack im Vorbeigehen mitnehmen würde. Vielleicht ist da der Wohnungsschlüssel drin. Oder die Schulsachen. Ich überlege, dann ruf ich ihnen zu „Hey, gehört der Rucksack hier einem von euch? Vielleicht stellt ihr den besser zu euch rüber.“ Sie schauen hoch. „Oh ja, stimmt, danke“, sagt der eine. „Sonst denkt noch jemand, dass da ‚ne Bombe drin ist.“
Ich bin ein bisschen überrascht, daran hätte ich jetzt wirklich nicht gedacht. „Tja, die neue Generation“, sagt ein Mann, der neben mir gerade sein Fahrrad anschließt. „So was hätte ich in dem Alter sicher nicht gesagt.“ Ich auch nicht, denke ich. „Meine Tochter hat neulich gesagt: ‚Der Diebstahlalarm an dem Auto klingt fast so wie der Amokwarnton in der Schule‘“, mischt sich eine Frau ein, die auch gerade ihr Fahrrad bepackt.
Ich merke, wie es mir kalt den Rücken runterläuft. Reicht es nicht, dass wir Corona haben? Müssen Kinder immer gleich an Bombenanschläge und Amokläufe denken?
Als ich beim Abendessen erzähle, dass ich die Jungs auf den Rucksack angesprochen haben, sagt mein 15-Jähriger: „Gut, dass du das gemacht hast. Da hatten bestimmt schon viele Leute Angst, dass da ‚ne Bombe drin ist.“
Gaby Coldewey
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