berliner szenen: Ich mach auch bald in Nüssen
In unserem Hof steht ein breiter Mann mit einer Dose Bier und freut sich über das Eichhörnchen, das wieder Nüsse in meinen Töpfen vergräbt. Er trägt ein verknittertes Jackett über dem runden Bauch und hat seine rötlichen Haarsträhnen über den Kopf gelegt wie eine Figur aus einem tschechischen Film der 70er Jahre. Der Mann steht da, lacht und trinkt Bier. Als ich auf den Balkon gehe, bemerkt er mich nicht. Ich höre, dass er freundlich mit sich selbst spricht. „Ja, Hanno, hatta gesagt, der Dokta. Hanno, sagt der Dokta, das musste verstehen, man kann sich nur leisten, was man sich leisten kann.“ Der Mann lacht wieder und trinkt einen Schluck. Ich setze mich auf meine wackelige Blumenbank in die Sonne und sehe durch die Halme der Bambusmatte in den Hof.
„Fleißig wie ‚n Eichhörnchen biste. Wie ich“, sagt der Mann zum Eichhörnchen im Baum. „Aber du machst es wenichstens richtig“, sagt er. „Du sorgst für Vorrat. Bist ‚n schlaues Kerlchen. Dich kann man nich vor die Türe setzen. Da biste ja schon.“ Stille. Er trinkt und stößt auf. Dann zerknüllt er die Dose, wirft sie in einen Mülleimer. Es zischt, als er die zweite Dose aus einer Jutetasche holt. Jetzt lacht er wieder. „Ich mach auch bald in Nüssen. Da bin ich dann im Nussimport. Kann ja jetzt machen, was ich will.“
Eine Nachbarin aus dem Hinterhaus kommt und bringt ihren Müll weg.Der Mann wünscht einen schönen Tag und beobachtet sie, wie sie ihre Tüten in die Tonnen wirft. Sie fühlt sich unwohl unter seinem Blick und ignoriert ihn. Als sie weg ist, sagt der Mann zum Eichhörnchen: „Und wenn wa dann jenuch Nüsse zusammenhaben, laden wir uns genau so ‚ne Frau ein mit ‚nem schönen großen Arsch. Die kann die Nüsse dann knacken und allen geht‘s gut dabei.“ Er nickt zufrieden, trinkt noch einen Schluck Bier. Dann verlässt er den Hof.
Isobel Markus
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