berliner szenen: Wieder Schwimmen in der Halle
Der Herbst hat früh begonnen in diesem Jahr. Ich stehe bibbernd im Freibad und muss mir eingestehen, dass das wohl definitiv der letzte Besuch sein wird. Dafür haben ja jetzt die Schwimmhallen wieder auf. Ich habe ein bisschen Angst, wegen Delta. Aber den ganzen Winter gar nicht schwimmen? Zur Probe buche ich mir ein Ticket: Komme ich klar im Hallenbad? Im Schwimmbadfoyer steht eine Menschenschlange, alle mit Maske, aber sehr eng zusammen. Ich stelle mich zögernd hinten an. Vor der Kasse kontrolliert eine Frau die Impfnachweise und Tests. Einen Ausweis muss man nicht vorzeigen. Dann Ticketkontrolle und ich bin drin.
In der Umkleide stehen wenige Frauen, alle mit Masken. Die tragen sie auch bis zum Duschraum. Im Becken sind vielleicht dreißig Leute. Bis hierhin komme ich klar. Zurück in der recht engen Umkleide steht eine junge Frau ohne Maske. Sie zieht sich langsam an, schminkt sich und föhnt dann ausdauernd ihre langen Haare. Ich sage nichts. Aber fühle mich massiv unwohl. Dann merke ich, dass ich meine Schwimmbrille im Duschraum vergessen habe. Ich gehe in Badeschlappen zurück. Auch die Maskenlose geht noch mal zurück. In Turnschuhen. Unter ihren Füßen bilden sich bei jedem Schritt Dreckpfützen. „Entschuldige, aber bist du zum ersten Mal hier?“, frage ich bewusst freundlich. „In der Umkleide sind Schuhe nicht erlaubt.“ „Aber meine Schuhe sind ganz sauber“, sagt sie, während sie auf die Dreckspuren schaut.
Ich merke, dass ich den Umgang mit solchen Situationen nicht mehr gewohnt bin. Ist das überhaupt meine Sache? Darf ich was sagen? Bin ich zu intolerant? Keine zwei Jahre Pandemie, und ich bin völlig überfordert von sozialer Interaktion. Zum Glück haben zwei Freibäder noch ein paar Tage auf.
Gaby Coldewey
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen