berliner szenen: Ein Abend in Wilmersdorf
Dieses Gefühl in Berlin, nicht in Berlin, sondern auf der Reise zu sein, kenne ich gut, vor allem, wenn ich die Grenze meines Bezirkes verlasse. So sind es für mich Welten zwischen Neukölln und anderswo, und ich genieße es zum Beispiel, in Wilmersdorf zu sein, als würde ich in einem kleinen Restaurant mit Blick aufs Wasser in Venedig sitzen. Diesmal, als ich beim Ludwigkirchplatz ankomme, denke ich an Budapest, wo die Freundin, die ich gleich treffe, herkommt.
Ich bin mit dem Rad schneller da als gedacht, und sie fragt, ob ich lange gewartet habe. „Alles gut! Ich habe mir angeschaut, womit sich reiche Kinder unterhalten“, antworte ich und zeige auf eine Gruppe junge Menschen in weißen T-Shirts, Jeans und Mokassin. Wir lachen, und meine Freundin sagt, sie würden wie Tennisspieler*innen aus den 90er Jahren aussehen.
Doch das Turnier geht um Trinken und wird mit roten Plastikbechern auf einem langen selbst gestellten Tisch gespielt. Ich halte es zuerst für ein Picknick: Mit den roten Blumen am Rande und den elegant gekleideten Menschen, die mit feinen Hunden spazieren und sich höflich unterhalten, sieht es wie eine Malerei aus.
Wir sind glücklich, uns nach Monaten wiederzusehen, und haben viel zu erzählen. Deshalb machen wir uns auf die Suche nach Getränken. Wir finden einen kleinen Weinladen mit Lichterkette, wo man direkt erkennen kann, dass alle an den Tischen Stammgäste sind. Trotzdem bietet uns der Wirt eine Ecke, und beim leckeren Käse stoßen wir mit noch leckererem Weißwein an.
Später landen wir in der einzigen noch geöffneten Kneipe und überfordern die Kellnerin, die anscheinend keine Gäste mehr erwartete und genervt unsere negativen Coronatests abnickt. Ein Geburtstag wird gefeiert.
Auf dem Weg nach Hause habe das Gefühl, die Stadt bis zur Boddinstraße zu überfliegen. Luciana Ferrando
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