berliner szenen: Umziehen im Haus war üblich
Im Hausdurchgang sind Tische und Stühle aufgestellt. Es gibt Rumkugeln, Kaffee und Rotkäppchen Fruchtsecco Himbeer. Ute hat Pflaumenkuchen gebacken, der Kuchen ist die Wucht. Als der Regen aufhört, ziehen wir um vors Haus, wo Babsi mit ihren Enkelinnen einen kleinen Garten angelegt hat. Die Linde haben sie auch gepflanzt, damals, vor 40 Jahren. Vorne Ecke Schönhauser war die tschechische Botschaft, ein Stück weiter runter der HO, gegenüber die Fleischerei, das Schild gibt es noch. Durch unsere Straße zogen die Spielmannszüge, und Ute fuhr auf ihren Rollschuhen über die buckeligen Gehwegplatten nebenher. Sie reicht ein Foto herum: Sie steht genau hier im Hauseingang, wo wir jetzt stehen, neben ihrer Oma und hält stolz ihre Schultüte hoch. Das war Ende der 60er. Richard wohnte erst Vorderhaus parterre, später dann in A.s Wohnung im dritten Stock. B. zog vom Vorderhaus in sein Dachstudio im Seitenflügel. Das Umziehen im Haus war üblich, meint Richard. An alle Mieter kann er sich nicht mehr genau erinnern. Bei dir wohnte so ein Paar, das waren starke Raucher, da ging man nicht hin, sagt er. Die Haustür war nie verschlossen, hier hing der stumme Concierge, eine Tafel mit den Namen der Bewohner. Die Remise, das war eine Ruine, da durften wir Kinder nicht spielen, erinnert sich Ute. Angeblich handelte es sich um ein Pumpenhaus. Im Hof war ein Tiefbrunnen, da ist mal jemand ertrunken, erklärt Babsi. Ihre Enkelinnen machen große Augen.Und dann gab es noch andere Dinge, Unausgesprochenes, das bis heute nachwirkt. Frau B., die ihr ganzes Leben im Haus wohnt, hat die Einladung zum Kaffeeklatsch nicht angenommen. Was genau da los war, warum sie die Nachbarn nicht sehen mag, kann oder will keiner der Anwesenden sagen. Wir waren ja noch Kinder, das waren so Erwachsenensachen, sagt Richard. Sascha Josuweit
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