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berliner szenenHalloween, jedes Jahr im Juni

Da sind sie, wie jedes Jahr, die Juni-Stars der Hasenheide. Sie dekorieren Büsche und Sträucher mit Spinnweben und Faden wie für eine sommerliche Halloween-Party. Enorme Gespinste entstehen da plötzlich und von weiter weg leuchten sie im Gegenlicht, als wären sie Türvorhänge aus durchsichtigen Perlen, die sich mit dem Wind bewegen. Jedes Mal bekomme ich den Impuls dadurch zu joggen.

Das mache ich nicht: Ich kenne sie seit einigen Jahren und habe mir sogar ihren Namen gemerkt: Gespinstmottenraupen. Ich weiß auch, dass, wenn man die Faden näher betrachtet, man sieht, wie die Raupen in ihren Kokons hängen und baumeln. Tausende bewegliche Wesen, ein Leviathan aus Würmern, Wunder oder Albtraum, für Menschen ungefährlich.

Wenn ich ohne es zu merken, zu nah an sie drankomme und plötzlich ein Nest vor meiner Nase schwebt, zucke ich zusammen und stoße einen Schrei aus, wie andere es bei Schlangen, Ratten oder Spinnen machen – damit habe ich kein Problem, mit Würmern schon.

„Das sind keine Würmer, sondern Raupen, also ein ganz anderes Tier“, versuche ich mich zu überzeugen und erzähle mir dazu ein Märchen. „Eines Tages war alles anders als sie zum Park ging“, fängt es an und am Ende kommt so eine Stelle vor: „Die Raupen werden bald zu Schmetterlingen. Sie sind schon schön, nur auf eine Art und Weise, die die Menschheit nicht nachvollziehen kann. Deswegen sammeln sie erst mal eine einfache Schönheit aus Farben und Feinsinnigkeit in sich zusammen und wenn sie bereit sind, sich zu zeigen, gehen sie raus und werden bewundert.“

Dass sie als Motten (und nicht als Schmetterlinge) die Hasenheide verlassen werden, erwähne ich nicht. Der Fluch ist sowieso in einige Wochen vorbei und das ist eh nur eine Geschichte.

Luciana Ferrando

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