berliner szenen: Nicht sauber ohne Sandale
Ich warte darauf, dass der beste Schuhmacher der Welt meine roten, liebsten Sommersandalen repariert. Neulich stand ich nämlich nur noch mit einem Schuh auf der Treppe im U-Bahnhof, während der andere sich schon mal ohne mich aufgemacht hatte und die Treppe herunterhüpfte. Die Sohle hatte sich vom Riemenleder gelöst. Ich sammelte den Schuh humpelnd wieder ein und fluchte innerlich.
„Hehe“, lachte ein alter Mann mit wenig Zähnen, der mich beobachtete. „Das nenn ick Kwalität. Da hilft jetzt nur Plastiktüte um’n Huf.“ Ich sah ihn nachdenklich an. Eine Plastiktüte hatte ich nicht dabei. Höchstens eine zweite Maske. „Vielleicht geh ich einfach barfuß“, überlegte ich. Der Mann machte ein bedenkliches Gesicht.
Kurz danach wusste ich auch, warum. Gefährlich, wenn man barfuß durch die Stadt geht, stellte ich fest. Wie dreckig die Berliner Straßen sind, fiel mir ebenso auf, und das nicht erst wie sonst im Gegensatz zu den geleckten Bürgersteigen westdeutscher Kleinstädte. Auf meinem Weg versuchte ich, nicht in zersplittertes Glas, Kippen, über den Gehweg verschmierte Hundekacke oder Eiscreme zu laufen. Es war schwer und ein Spießrutenlauf. Als ich zu Hause ankam, dachte ich, dass ich meine Füße nie wieder sauber bekäme.
Beim Betreten des Schuhmacherladens guckt mich der Besitzer hinter seiner Brille aus kleinen Augen an, wischt die Hände an der Lederschürze ab und stellt die reparierten und frisch geputzten Sandalen vor mich.
„Was für ein Service“, sage ich, „ich glaube, die sind noch nie geputzt worden.“ Er sieht mich freundlich an und sagt: „Auch Schuhe wollen mal lieb umsorgt werden.“
Ich ziehe meine Sandalen gleich an, und wie ich mit ihnen den Laden verlasse, freue ich mich, dass da jemand seinen Traumberuf gefunden hat. Isobel Markus
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