berliner szenen: Ein britischer Blindgänger
Wir sind irgendwo zwischen Köpenick und Müggelheim und M. und ich finden einen verrosteten Poller im Wald. Er ist etwa einen halben Meter groß und liegt einfach so auf der Erde. M. schubst den Poller mit seinem Fuß: „Was das wohl ist?“ Nur weil ich ein paar Tage zuvor einen Radiobeitrag über die vielen verbliebenen Weltkriegsblindgänger im Boden gehört habe, sage ich: „Das sieht irgendwie aus wie Munition, vielleicht von einem Panzer?“
Der Fußweg Richtung See liegt nur ein paar Meter entfernt. Der Krieg ist seit 76 Jahren vorbei. Ganz schön unwahrscheinlich, dass diesen vermeintlichen Weltkriegsrest hier noch niemand gefunden haben soll. Ich schicke einem Freund ein Foto. Der vermutet: „Vielleicht ein Teil eines Straßenschildes?“
Ein paar Tage später scrolle ich durch meinen Instagramfeed. Eine Infografik der Berliner Morgenpost vergleicht zum Tag des Sieges Bombenmodelle aus dem Zweiten Weltkrieg. Da fällt mir der verrostete Poller wieder ein und er hat tatsächlich so einen Böppel unten wie die Illustration der „britischen Phosphorbombe“. Ich recherchiere weiter, bis ich sicher bin: Wir haben eine INC 30 lb gefunden, eine Brandbombe mit Phosphor als Zündmittel, der sich in Kontakt mit Sauerstoff selbst entzündet.
Der Polizist aus Köpenick, den ich danach am Telefon habe, wirkt amüsiert. Auch er hält es wohl für nicht sehr wahrscheinlich, dass da eine alte Bombe neben dem Spazierweg liegt. Aber er schickt seine Kollegen zum Suchen los. Es folgen sechs Telefonate mit der Polizei, die den Poller zunächst nicht findet und mich mit Blaulicht durch die Stadt fahren will. Nach drei Stunden habe ich wieder den Beamten am Telefon, mit noch besserer Laune. Er sagt, die Bombe sei nun entschärft, aber davor noch voll funktionsfähig und sehr verrostet gewesen.
Svenja Bednarczyk
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