berliner szenen: Sicher Fliesen kaufen
In der ersten Osterferienwoche klingelt abends die Nachbarin, um ein Paket abzuholen. Sie ist Mitte vierzig und Grundschullehrerin. Wir reden über Schule und übers Impfen. Denn gerade kam im Radio, dass die Impfung mit AstraZeneca für Menschen unter 60 ausgesetzt wurde. Die Nachbarin findet das gut. Ihre Kolleg*innen hätten nach der Impfung teils tagelang mit Fieber und Schüttelfrost im Bett gelegen. Deshalb habe sie sich für Biontech entschieden, obwohl sie dafür bis Mai warten müsse.
Gerne hätte ich mehr erfahren. Aber da ist sie schon beim nächsten Thema. Sie kommt nämlich gerade aus dem Einkaufscenter, wo sie Schnürsenkel kaufen wollte. „Weil ich keinen Corona-Negativ-Nachweis hatte, durfte ich nicht in den leeren Schuhladen. Die Verkäuferin hat mir die Schnürsenkel an die Tür gebracht.“ Das klingt schon absurd. Ist aber noch zu toppen. Sie habe einen Termin im Fliesenmarkt, erzählt sie, schon vor Wochen gebucht. Jetzt eine SMS: „Bitte denken Sie an den vorgeschriebenen Negativtest.“ Anruf im Fliesenmarkt: Reicht ein Schnelltest? „Ich dachte, ich nehme zwei von denen, die mein Sohn mit aus der Schule gebracht hat.“ Aber nein, solche Schnelltests seien zu unsicher. Sie musste darum schnell noch PCR-Test-Termine buchen. Ihr Mann hat sich dafür extra freigenommen. Der soll die Fliesen ja mit aussuchen.
Ich bleibe ratlos zurück. Wenige Tage zuvor musste auch mein Kind zehn Schnelltests aus der Schule abholen. Wenn die Schüler*innen sich freiwillig zu Hause testen würden, könne nach Ostern Präsenzunterricht angeboten werden, so die Info. Für einen großen Fliesenmarkt sind diese Tests zu unsicher. Aber wenn ein paar Schüler*innen die freiwillig machen, können sich dreißig Jugendliche wieder zusammen in kleine Räume setzen. Zum Glück sind jetzt erst mal Ferien. Gaby Coldewey
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