berliner szenen: Leihfrist bitte verlängern
Ich bin in der Bibliothek und bringe meine zehn Bücher zurück, die ich seit Oktober ausgeliehen habe und im Lockdown nicht abgeben konnte, da die Bibliothek geschlossen war. Ich freue mich auf diesen kleinen Ausflug. Es ist mal etwas anderes.
In der Bibliothek ist es still und es riecht sogar durch die Maske wie immer. Es ist ein sehr vertrauter Geruch, der mich immer ganz ruhig macht. Früher, wenn ich mich zum Anlesen mancher Bücher irgendwo hingesetzt habe, musste ich aufpassen, dass ich dort nicht einschlafe, so beruhigend waren der Geruch und die Stille.
Nachdem ich mir ein paar Titel ausgesucht habe, sagt mir das System an der Ausleihe, dass ich meinen Ausweis verlängern muss.
Am Infoschalter sitzt ein junger Typ mit einem Zopf und einem Slayer-T-Shirt wie früher.
Hi, sage ich, ich muss wohl meinen Ausweis verlängern lassen.
Okay, dann brauche ich den Perso und den Ausweis.
Ich reiche ihm beides über den Tisch, er scannt den Ausweis ein und sieht auf die Adresse. Nicht zufällig in den letzten 4 Tagen umgezogen, oder?, fragt er.
Hehe, nee, sage ich. Ich würde ja gern. Haben Sie vielleicht auch Wohnungen zu verleihen?
Noch nicht, sagt er. Aber wer weiß, wenn das da draußen so weitergeht, können wir das vielleicht ins Programm aufnehmen.
Wir lachen.
Vielleicht wäre dann eine längere Leihfrist gut, sage ich. 4 Wochen sind sehr kurz.
4 Jahre?, fragt er, als wäre das real zu verhandeln.
4 Jahre wären perfekt, finde ich, und er nickt.
Er reicht mir meine Ausweise zurück.
Ich schlag es meinem Chef vor. Viel Glück beim Finden.
Das wünsche ich ihm auch.
Ich suche grad gar nicht, sagt er, aber kann man ja eigentlich immer gebrauchen, was zu finden. So generell. Isobel Markus
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