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berliner szenenAls ich Françoises Groupie war

Oh nein, heute ist Mittwoch. Ich habe wieder die Sendung mit Françoise Cactus im Radio verpasst“, merke ich. Die ist einmal im Monat dienstags, und ich freue mich immer, wenn ich beim Kochen ihre Musikauswahl und sie („mit ihrem charmanten französischen Akzent“, wie alle es sagen) höre. Gestern wäre sie wieder dran gewesen. Aber dann kam die Nachricht, dass die Sängerin von Stereo Total gestorben ist. Ich bin geschockt und kann es nicht glauben. Als Nachruf schildern die rbb-Kolleg*innen ihre ersten Begegnungen mit ihr. Eine Arbeitskollegin erzählt mir, wie sie Kneipenfreundinnen geworden waren. So fällt mir ein, dass ich sie auch persönlich kennengelernt hatte. Es war mein erstes Jahr in Berlin, doch das Duo von Françoise und ihrem Mann Brezel Göring liebte ich schon vorher. Als ich erfuhr, dass sie in der Lohmühle spielten, ging ich mit Freun­d*in­nen hin. Das Konzert war wunderschön: Wir hüpften wild zu „Wir tanzen im 4-Eck“ oder „Liebe zu dritt“, und aus lauter Euphorie umarmten wir fremde Menschen, wie es heute nicht vorstellbar ist. Betrunken waren wir dank der lauwarmen Sternis auch. Nach dem Konzert folgten wir irgendwem und landeten hinter der Bühne. Da stießen wir mit Françoise und Brezel weiter an, während sie die Instrumente abbauten. Worüber wir uns unterhielten, weiß ich nicht mehr. Ich weiß aber noch, dass sie ganz „normal“ waren. Dennoch spielte ich kurz mit dem Gedanken, Stereo-Total-Groupie zu werden. Daraus wurde nichts, denn mir wurde auf einmal schlecht. Und weil ich nicht das Gefühl hatte, dass sie Rockstars waren, verabschiedeten wir uns nur und gingen schnell an die Luft. „Voll nett, oder?“, fragten wir uns gegenseitig, als es mir besser ging. Die Erinnerung bringt mich zum Lächeln, auch wenn ich unheimlich traurig bin.

Luciana Ferrando

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