berliner szenen: Die Hunde brauchen Ferien
Langsam werden alle plemplem, denke ich, als ich sehe, wie meine Tochter versucht, unserer einen Hündin das Alphabet beizubringen. Die Hunde sind außer Kuscheltieren schon seit einem Monat die einzigen Spielgefährten meiner Tochter. Und müssen einiges mitmachen.
Vor ein paar Tagen fand ich die eine Hündin an einen Stuhl angeleint vor. Da der Schnee draußen ja nie liegen bleibe, so meine Tochter, müsse sie nun halt drinnen Schlitten fahren. Der Stuhl sei ihr Schlitten: „Aber sie will ihn nicht ziehen!“
Eine Freundin, von Beruf Tierärztin, meinte bei unserem letzten Gespräch, die Hunde, die sie zurzeit behandle, wirkten alle äußerst gestresst: „Die finden es gar nicht schön, dass ihre menschlichen Mitbewohner nun immer zu Hause rumhocken. Die vermissen ihre gewohnte Ruhe.“
Ruhig ist es bei uns zu Hause jetzt nie. Denn meine Tochter und ich haben uns ein neues Hobby zugelegt, um im Lockdown nicht durchzudrehen: Rollerbladen. An Sonntagen, wenn alles ausgestorben ist, gehen wir dafür ins um die Ecke gelegene Industriegebiet. Auf den Parkplatz des dann geschlossenen großen Supermarkts oder in das leere Parkhaus des benachbarten Möbelgeschäfts. Dort stellen wir Musik an und machen eine Rollerblade-Disco.
Wenn meine Tochter müde wird, setze ich sie in einen Einkaufswagen und schiebe sie vor mir her. An den anderen Tagen rollerbladen wir durch unser Wohnzimmer. Da wir im Erdgeschoss wohnen, bekommt außer den Hündinnen niemand etwas davon mit.
Manchmal tanzen die zwei um uns rum und mit uns mit. Meist aber gucken sie uns, sobald sie die Rollerblades sehen, schief an und rennen schnell in die Küche. Ganz so, als würden sie denken: „Wann ist der Wahnsinn bitte endlich vorbei? Wir brauchen echt dringend Ferien!“
Eva-Lena Lörzer
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