berliner szenen: Die jetzt auf der Straße sind
Einen Straßenfeger?“ Die Frage habe ich monatelang nicht mehr gehört. Erstaunt sehe ich in das wettergegerbte Gesicht eines Mittfünfzigers, der gleich hinterherschiebt: „Gibt gerade wieder mehr Obdachlose auf den Straßen.“ Ich möchte ihn gern unterstützen. Aber ich habe kein Geld dabei. Und auch kein Essen. Daher bitte ich um Entschuldigung und frage: „Wie ist denn die Lage in den Unterkünften?“ Er erzählt, dass die Notunterkünfte durch die Coronabestimmungen kaum Leute aufnehmen könnten. „Statt wie sonst an die 50“, erklärt er trotz sichtbaren Alkoholpegels erstaunlich klar, „kommen wegen Abstandsregeln und Co. oft nur noch 15 pro Nacht unter.“ Die anderen seien gezwungen, auf der Straße zu schlafen.
Auf die Frage, wie man helfen könne, verweist er auf die Kleiderkammern der Kältehilfe: „Keine Klamotten in Container werfen, sondern direkt zu denen bringen.“ Er selbst, erzählt er, habe das Glück, seit dem ersten Shutdown auf dem Sofa eines Bekannten zu schlafen. Dennoch identifiziert er sich mit den Menschen auf der Straße: „Ich nehme die auch mal mit oder bringe einem Schlafsack, Decken oder warmes Essen, wenn es besonders kalt ist oder ich mir Sorgen um ihre Gesundheit mache.“ Die meisten anderen, meint er, wendeten sich einfach ab. Auch das Verkaufen des Straßenfegers werde immer schwieriger: „Ich gehe schon immer nur nachts. Da sind die Leute meist freundlicher. Am Tag werde ich oft wie Luft oder Dreck behandelt.“ Nachdenklich fügt er hinzu: „Viele haben bestimmt einfach Angst vor Ansteckung. Oder eigene Probleme wegen Corona.“ Wir unterhalten uns eine Weile. Er erzählt, wie er in die Obdachlosigkeit abgerutscht ist, und endet: „Mir geht’s okay. Aber die, die jetzt auf der Straße sind, brauchen echt Hilfe. Also Klamotten aussortieren, ja?“ Eva-Lena Lörzer
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