berliner szenen: Ein sehr cooles Wurstbrot
Ich wundere mich über Kleinigkeiten. Seit die sozialen Kontakte so massiv eingeschränkt sind, treffe ich fast niemanden mehr. Und spreche folglich auch kaum noch mit jemandem „in echt“. Vielleicht ist aus diesem Grund meine Wahrnehmung schärfer als sonst. Gesprächsfetzen, die ich irgendwo aufschnappe, bleiben stundenlang in meinem Kopf. Ich spinne sie weiter als Ersatz für die Gespräche, die ich nicht mehr führen kann.
Kürzlich steh ich in Prenzlauer Berg an einer Fußgängerampel, warte, dass es Grün wird – und höre plötzlich hinter mir eine Stimme, die sagt: „Da gibt es so geiles Bauernbrot. Einfach so Scheiben mit Wurst. Oder Käse. Total cool.“
Die Frau, die Wurstbrote cool findet, will ich mir ansehen. Und drehe mich um.
Sie ist vielleicht Mitte 20 und mit einem männlichen Begleiter unterwegs. Auf silbernen Leihfahrrädern. Sie sind trendy angezogen und scheinen auf Berlin-Besuch zu sein. Falls so was aktuell gerade überhaupt möglich ist. Ich starre sie an. Sie sind mit ihrem Navi beschäftigt und bemerken das zum Glück nicht.
Dann springt die Ampel um. Und in meinem Kopf geht es rund: Zwei junge Menschen, die sich von grünen Smoothies und veganen Quinoa-Gemüse-Bowls ernähren. Sie essen meist auswärts. Oder lassen sich was bringen. Deshalb haben sie auch selten was im Kühlschrank. Und wenn sie doch mal zu Hause essen, müssen sie vorher einkaufen. Natürlich kein Brot. Wegen der Kohlenhydrate. Gibt es leider auch nicht in Einzelportionen. Ein großes Brot wird halt schnell trocken. Oder schimmelt. Aber dann haben sie diesen irren Laden entdeckt. Die schmieren dir auf Wunsch eine Stulle. Du sagst: „Einmal mit Kochschinken, bitte.“ Nur 3,50 Euro, voll gut.
Das hab ich mir ausgedacht. In Wirklichkeit ist es bestimmt anders.
Gaby Coldewey
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