piwik no script img

berliner szenenAktzeichnen ist zurzeit erlaubt

Der Sohn einer Freundin wird sieben Jahre alt und möchte alle einladen. Unter welchen Voraussetzungen und mit wie vielen Menschen man gerade überhaupt feiern darf, erzählt sie seufzend, sei gar nicht leicht herauszufinden: „Vielleicht liegt es an meinem Deutsch?“ Ich beruhige sie: „Das kann nicht schwer sein. Ich recherchiere kurz und schreibe es dir.“

Aber auch ich als Muttersprachlerin verstehe nur Bahnhof: Bedeutet die Ausnahme für Zusammenkommen von Kindergruppen einer „Kohorte“ im öffentlichen Raum, dass sich Schüler*innen einer Klasse während der Betreuungszeit gemeinsam im öffentlichen Raum aufhalten dürfen? Oder ist auch eine private Feier im Freien mit bis zu zehn Kindern einer „Kohorte“ gestattet? Erst nach einer halben Stunde finde ich einen Artikel, der alle Regeln an konkreten Beispielen erörtert und schreibe der Freundin: „Spielplatz mit neun Kindern geht.“

Als ich am Tag der Feier auf dem Spielplatz ankomme, zögert die Freundin, auch nur eine Girlande am Baum anzubringen: „Nicht, dass die anderen denken, wir machen eine Coronaparty!“ Ich winke ab: „Es ist erlaubt. Sollen die denken, was sie wollen. Wir sind an der frischen Luft und die Kinder hocken eh jeden Tag in der Schule aufeinander.“ Am Ende kommen nur sechs Kinder. Während sie trotz Kälte sofort zu spielen beginnen, trinken die Eltern auf einer Bank Kaffee.

Eine Mutter erzählt, dass sie am Vortag beim Aktzeichnen gewesen sei. Eine andere fragt etwas irritiert: „Ach, Aktzeichnen ist zurzeit erlaubt?“ Die erste nickt: „Klar, ist ja eine Bildungsveranstaltung.“ Die andere seufzt: „Na dann kann ja gar nichts passieren. Die Schulen sind ja auch coronasichere Räume. Apropos: Warum haben wir erst gestern erfahren, dass die Musiklehrerin Corona hatte?“ Eva-Lena Lörzer

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen