berliner szenen: Schreiben ist schwierig in der Kälte
Durch einen kurzfristig abgesagten Termin habe ich unverhofft Zeit und will sie zum Schreiben nutzen. Nur: wohin bei den Temperaturen? Ich beschließe, einen Glühwein zu kaufen und mit ihm irgendwo draußen Platz zu nehmen. Doch auf der Wilmersdorfer Straße finde ich weder eine freie Bank noch Glühwein. Und Flanieren mit Maske macht auch keinen Spaß.
Als ich gerade in eine Seitenstraße abbiegen möchte, kommt mir ein Gleichaltriger entgegen und sagt: „Du siehst ja ungewöhnlich aus!“ Mein erster Gedanke ist: In Berlin spricht einen keiner einfach so an. Er muss betrunken sein. Oder irgendwie durch den Wind. Aber er wirkt nüchtern. Und auch nicht unsympathisch. Also halte ich inne.
Er erklärt zögerlich: „Ich meinte ungewöhnlich gekleidet.“ Ich frage nur rhetorisch „Ah, ja?“ und gehe langsam weiter. Er aber ruft: „Wohin willst du?“ Ich möchte mir meine gerade gewonnene Zeit nicht nehmen lassen und erkläre knapp: „Ich suche einen Ort zum Schreiben.“ Er kommt mir nach: „Schreiben, mh? Schwierig in der Kälte.“ Und überlegt: „Vielleicht an einem der Tische vor dem Restaurant?“ Er zeigt auf ein Lokal. „Oder wenn die das nicht erlauben, in einem Hauseingang?“ Ich bedanke mich höflich für die Ratschläge und erkläre, dass ich nun wirklich weitermüsse. Er meint bedauernd: „Na gut, ausnahmsweise.“
Als ich schließlich im U-Bahnhof Platz nehme, denke ich darüber nach, ob ich zu schroff war. Eine Frau hätte ich nicht so schnell abgebügelt. Nur weil er ein Mann ist, habe ich gleich eine Anmache erwartet und eine Abwehrhaltung eingenommen. Dabei, denke ich mit einem Mal, war sein Kontaktversuch vielleicht auch einfach nur eine Begleiterscheinung des Lockdowns: ein erhöhtes Bedürfnis nach persönlichen Begegnungen und Austausch. Eva-Lena Lörzer
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