berliner szenen: Hier will man keine Zuschauer
Trug er wirklich eine Brille mit winzigen runden Gläsern und eine schwarze Lederjacke, die Haare raspelkurz? Dem Freund, mit dem ich die 39 Kilometer von Südkreuz nach Grünheide geradelt war, genauer gesagt ins Güterverkehrszentrum Freienbrink, gelang es nicht, sein Smartphone zu zücken, um ein Foto zu schießen. Die hohen Kräne und Hallen, das Spalier der Muldenkipper und Großbagger brannte sich bloß in unser Gedächtnis ein. Umgehend wurden wir des Platzes verwiesen: Privatgelände!
Wir standen nur vor der Einfahrt der „Gigafactory“, die vor uns aus den Stümpfen eines gerodeten Waldes emporragte. Der Sicherheitsmann, der unter einem weißen Baldachin an der Baustellenzufahrt zu uns sprang, respektierte nicht eine der AHA-Regeln.
Kurz überlegte ich, meinen Presseausweis zu zücken. Doch wir hatten schon einen Eindruck gewonnen. In Grünheide will man keine Zuschauer. Seit Wochen hatte mich der Freund gedrängt, zu Tesla zu radeln. Einen Blick auf die Zukunft zu werfen. Ich versuchte den Enthusiasmus argumentativ einzuhegen. Das ist ein Monopol, das auf uns zurollt. Was in der digitalen Welt schon herrscht, komme nun auch über die Mobilität, sagte ich. Ach, der Musk ist anders als Amazon, Google, Facebook und Co. Der Mann will auf den Mars, er hat Visionen!
Schroff abgewiesen von seinem Sicherheitsmann in Rockerkluft fuhren wir zurück in den Wald, der vielleicht bald einer Akkufabrik weicht oder den Wohnhäusern einer künftigen Arbeiterbatterie. Vor nicht allzu langer Zeit wurden in dem Gebiet im Auftrag der Stasi beschlagnahmte Autos gelagert und Westpost untersucht. Geheimniskrämerei hat dort Tradition.
Als wir über die schmale Brücke über die mäandernde Spree fuhren, hatten wir schon wieder ein Lächeln auf den Lippen. Timo Berger
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