berliner szenen: Was tun Sie, damit sich das ändert?
Es gibt Dinge, die gehen nicht von zu Hause. Trotz Shutdown muss ich raus. Zuerst zum Zahnarzt. Das wollte ich schon den ganzen Sommer getan haben, dachte aber immer: „Ach nee, is ja Corona.“ Jetzt ist richtig Corona, und ich sitze auf dem Stuhl. „Wenn's weiter wehttut, kommen Sie in zehn Tagen noch mal wieder“, sagt der freundliche Mediziner. Was ich vermeiden möchte.
Dann muss ich zur Post. Ich habe Fragen zu meinem Konto, für telefonische Nachfragen bräuchte ich einen „Telefonbanking-Pin“ oder so etwas, das ich nicht habe. Oder nicht finde. Egal. Es ist voll bei der Post, wie immer. „Nur 05 Personen dürfen sich zur gleichen Zeit im Raum aufhalten“, steht auf einem Schild am Eingang. Ich zähle 15. Was daran liegt, dass es nicht nur die Postschalter gibt, sondern auch einen Briefmarkenschalter und andere Angebote. Einer packt Dinge in ein Postpaket. Ein anderer steht lange vor dem Regal mit Umschlägen und Paketband. Zwei Kinder warten an einem Tisch auf ihre Mutter und malen.
„Nur fünf Leute“, ruft verzweifelt eine Postangestellte hinter ihrer Plexiglasscheibe. Niemand bewegt sich nach draußen. Als ich endlich dran bin, steht am zwei Meter entfernten Nachbarschalter ein großer Mann. Ich nehme ihn zur Kenntnis, als die Postangestellte laut sagt: „Ich bin Arbeitnehmerin, nicht Arbeitgeber!“ Warum meint sie, das erklären zu müssen? „Wissen Sie, wie lange ich hier angestanden habe?“, schreit der Mann sie durch seine Maske an. „Warum haben Sie hier nur zwei Schalter geöffnet?“ Ich verstehe ihn, ich habe auch ewig angestanden. „Wir hätten auch gern mehr Personal“, sagt die Frau betont höflich. „Ja, und was tun Sie jetzt, damit sich das ändert?“, brüllt er. Es ist der erste Tag mit den neuen Coronaverschärfungen. Für den Rest des Novembers bleibt man am besten zu Hause.
Gaby Coldewey
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