piwik no script img

berliner szenenEmil, Anton, Frido, auch megaschön

Leise ist es an diesem milden Novembertag in Schöneberg. Okay, im Vergleich zu Neukölln ist Schöneberg immer leise, aber so leise war es schon lange nicht mehr. Es muss daran liegen, dass Restaurants und Cafés aktuell nur„to go“ anbieten dürfen. Warum noch nicht mal eine Außenbestuhlung drin ist, während sich auf der Hauptstraße eine Schlange vor einem Modediscounter bildet, ist mir schleierhaft. Dennoch finde ich Gefallen an der neuen Stille, bis meine Gehörgänge plötzlich von einer permanenten Aufzählung diverser Mädchennamen penetriert werden. „Meva, Ella, Enna, Tiara, Nika, Alba, Leandra …“

Stopp, denke ich mir, so viele Kinder mit solchen – wie soll ich es nett formulieren – besonderen Namen kann doch niemand haben. Und wenn doch, dann würden die Namen altgermanisch klingen und auf eine völkische Liaison hindeuten. Ich drehe mich um. Hinter mir laufen zwei Mütter, vielleicht Ende dreißig, beide schieben einen Buggy vor sich her, darin jeweils ein Kind, das mit seinen etwa drei Jahren hoffentlich schon selbst gehen kann. Während die eine lauscht, liest die andere weitere Mädchennamen vom Handy ab. Plötzlich unterbricht die eine die andere: „Wie findest du eigentlich Milla? Oder klingt das zu sehr nach dem amerika­nischen Nachnamen Miller?“ Die andere überlegt kurz, sagt dann: „Nein, Milla ist ein superschöner Name.“ An der nächsten Kreuzung scheinen die beiden die Mädchennamen abgearbeitet zu haben.

Doch dann kommen die Jungennamen. „Emil und Anton ist schon geil“, sagt die eine. „Und wie findest du Frido?“, fragt die andere. „Auch megaschön.“ Als die Aufzählung mit „Oskar, Kasper, Finn, Lars, Henri, Fritz, Luis …“ weitergeht, biege ich kurzerhand in einen Buchladen ein. Die Stille der Bücher kann ich jetzt noch mehr genießen. Eva Müller-Foell

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen