berliner szenen: Hier parkt sonst der Zuhälter
Die drei sind total aufgekratzt. Um drei Uhr morgens sind sie in Vaihingen aufgebrochen, zwei Brüder und ihr Freund. Jetzt warten sie im Café, bis das Hostelzimmer in der Potsdamer Straße frei ist. 45 Euro die Nacht, mehr war nicht drin. Der Mietwagen ist teuer, höchste Tarifstufe, weil der Führerschein noch frisch ist. Brandenburger Tor und Rotes Rathaus, das haben sie gleich erledigt. Ob die Glienicker Brücke sich lohnt? Eigentlich geht es bei dieser Spritztour mehr ums Fahren, um die weiße Limousine. Zum Glück mit Stuttgarter Kennzeichen, sie wollen ja nicht wirken wie aus der Provinz.
Das alles erzählen sie, ungefragt und sprudelnd, über zwei Tische hinweg einer älteren Frau. Den Wagen lassen sie nicht aus den Augen, man weiß ja nie, sie parken direkt vor dem Café im Halteverbot. Dass sie entgegen der Fahrtrichtung stehen, begründet der Jüngste mit dem Augenaufschlag. Wenn man auf den Schlüssel drücke, blinzeln die Scheinwerfer so schön, eben wie bei einem Augenaufschlag. Er bekommt ganz weiche Züge und führt gleich noch mal vor, was ihn so verzückt.
Die beiden Frauen vom Ordnungsamt hat niemand kommen sehen. Sofort beginnt ein großes Palaver. Der Wagen störe doch gar nicht, sie fahren sowieso gleich weg, sie wollen nur schnell ihren Kaffee austrinken. Die Ordnungshüterinnen zeigen sich touristenfreundlich und biegen um die Ecke. Vergnügt bestellen die drei Schwaben noch eine Runde Kaffee mit Hörnchen. Die ältere Frau kennt sich hier aus. „An der Stelle parken sonst immer die Zuhälter, während die Frauen anschaffen gehen.“ Die drei gucken alarmiert, als bedeute das Parken Infektionsgefahr, Geschlechtskrankheit, Unterwelt. Einer legt Geld auf den Tisch, ohne die Bestellung abzuwarten. Und zischt mit Blick auf den Jüngsten: „Das erzählst du nicht Mama!“
Claudia Ingenhoven
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