piwik no script img

berliner szenenUrlaub in der eigenen Stadt

Besuch von alten Freunden aus anderen Städten zu bekommen ist etwas Zauberhaftes. Es ist wie Urlaub in der eigenen Stadt, denke ich, als ich mit einer Freundin, die mittlerweile in Freiburg wohnt, vor einer Kneipe im Wedding sitze. Gerade in Coronazeiten sind solche Besuche zu empfehlen – vorausgesetzt, die Zahlen erlauben es noch, für beide Seiten. Weit reisen geht nicht, und Urlaub in der Hauptstadt macht doch jeder gerne. Auch ich steige aus dem Alltag aus, denke ich. Sehe Berlin neu.

Am nächsten Tag wollen wir in das Buddhistische Haus in Frohnau fahren. Es soll der älteste buddhistische Tempel Europas sein, und obwohl ich in Berlin lebe, war ich noch nie dort. Ich denke daran und frage mich, warum. Und ja, meine Freundin hat recht, wenn sie jetzt sagt, wie schön die Straßenlaternen rund um den Leopoldplatz sind. Ich schaue sie mir an, wie sie ihr Licht in die Nacht gießen. Die Schönheit dieser alten Laternen hatte ich fast vergessen. Dabei waren sie auch für mich unter den ersten Dingen, die mir hier ins Auge stachen.

Wir sitzen vor der Kneipe und genießen die Ausflucht aus dem Gewöhnlichen, das Abtauchen, das zugleich ein Erinnern an eine alte Zeit ist, in der andere Rhythmen galten. Kennengelernt haben wir uns, als wir studierten, als die Zeit ähnlich stillstand wie jetzt, in diesem Moment. Ich genieße ihn – bis ich zusammenzucke.

„So ein scheiß Tag“, sagt laut eine Frau, die gerade angehastet kommt. „Passt du auf meinen Rucksack auf?“, fragt sie einen Mann und hält ihm den Rucksack vor die Nase, bevor sie in die Kneipe geht, um sich etwas zu trinken zu bestellen. Jeder hat seinen eigenen Alltag zu fristen, mit guten und schlechten Tagen, denke ich, wieder im Jetzt angekommen. Ich seufze und freue mich, dass meine Freundin noch ein wenig bei mir bleibt.

Lea de Gregorio

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen