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berliner szenenTschüsch, wie unheimlich

Auf dem Rückweg von der Arbeit fällt mir auf, dass fürs Abendessen noch Nudeln fehlen. Da ich spät dran bin, sprinte ich in den nächstgelegenen Supermarkt, greife die erstbesten Nudeln, renne zur Kasse und: Da springt ein Jugendlicher vor mich und rammt mich dabei mit dem Einkaufswagen. Statt „Autsch“ entfährt mir ein: „Tschüsch!“ Ich muss lachen. Anderthalb Jahre an einer Moabiter Schule haben anscheinend Spuren hinterlassen.

Am nächsten Tag erzähle ich einem Schüler von dem Tschüsch-Moment. Er rollt die Augen und sagt: „L m a o“. Ich sehe ihn groß an. Er erklärt: „Laughing my ass off.“ Und fragt dann: „Der Typ hat nicht reagiert, oder?“ Ich erwidere: „Nee, hat er nicht.“ Er nickt: „Weil Sie tschüsch falsch benutzt haben. Es heißt so was wie oha. Man sagt: tschüsch, hitzefrei. Oder: tschüsch, das ist crass.“ Ich sage: „Danke, mal wieder etwas gelernt.“ Er sieht mich schief an: „Aber lassen Sie das. Das ist in dem Alter voll cringe.“

„Cringe“ kenne ich als zurückschrecken. Seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen benutzt er es jedoch eher als „sehr peinlich“ oder „zum Fremdschämen“. Ich schneide eine Grimasse: „In dem Alter klingt nach Senioren. Für wie alt hältst du mich bitte? Er überlegt: „Auf jeden Fall sind Sie keine Jugendliche.“ Ich muss lachen: „Nein, ich bin schon lange erwachsen.“ Er fragt: „Wie alt sind Sie denn? 30? 40?“ Ich zeige mit einer Handbewegung, dass Letzteres in etwa hinkommt. Er ruft: „Alter, dann sind Sie ja Coronarisikogruppe!“ Ich erinnere mich, dass ich mit 15 auch dachte, dass das Leben mit 40 dem Ende entgegengehe und rufe scherzhaft: „Tschüsch, was geht? Willst du mich beleidigen?“ Er verdreht die Augen: „Bitte reden Sie wieder normal. So mit tschüsch sind Sie mir unheimlich. Ich grinse: „Keine Sorge. Ich mir auch.“

Eva-Lena Lörzer

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