berliner szenen: Hier sprach einst Thälmann
C. wendet Hühnchenstücke über der Glut. In die Gartenliege geflezt, wiegt eine Freundin ein Glas Sauvignon. Der Autor schießt ein Foto von der Birke, die sich traurig über den Teich neigt. Es ist die gefühlt letzte Datscha, die die DDR überlebt hat. An den Stichstraßen der Nachbarschaft stehen solide Giebelbauten. Auch auf dem Grundstück in der Überflugsschneise des BER hofft man, den Pacht- in einen Kaufvertrag umzuwandeln, um ebenfalls in die Höhe zu bauen.
Eine Stunde vorher überquerten wir die Stadtgrenze, die Brücke über den Alten Wernsdorfer See, bogen rechts in den Wald, zum Ufer des Krossinsees hin, fast ein Dschungel mit großen Birken, sich entrollenden Farnen, nadelnden Kiefern und eufeuumrankten Eichen. Kleine sandumsäumte Buchten, in denen das Anlanden verboten, das Baden geduldet, die Kontemplation der Szenerie ausdrücklich erlaubt scheint – den Holzbänken (Gemeindeeigentum) und Plastikstühlen (privat) nach zu folgern.
Das Ufer selbst hatte ich am frühen Morgen nach dem Grillgelage erkundet. Sah im Schilf Pärchen von Blässhühnern und Haubentauchern. Über mir kreisten Krähen. Ein Jogger grüßte. In Brandenburg sind die Leute höflich, dachte ich. Bis mich ein Rennradfahrer auf dem gemeinsamen Fuß- und Radweg frisierte (auf der Wiese standen unbeeindruckt zwei Zelte von wild campierenden Ruderern).
Ihr denkt, ihr wärt hier in der Pampa, hatte C. am Vorabend mit erhobenem Grillspieß gesagt. Weit gefehlt! Ein paar Grundstücke weiter hielt Thälmann seine Ziegenhalser Rede. Eine Woche nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler – die Partei schon untergetaucht – analysierte er, was kommen würde. C. verteilte das restliche Grillgut: mit Schafskäse gefüllte Champignons, Spargel in Alufolie, tadellose Kartoffeln. Timo Berger
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