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berliner szenenIm Nirwana des Arbeitsblatts

Gleich nach Pfingsten ging es wieder los mit dem „Präsenzunterricht“. Für Nicht-Eltern: Drei Wochen vor den Sommerferien sollen Berliner Schüler wieder echten Unterricht mit richtigen Lehrern in realen Klassenzimmern haben. Dreimal die Woche vier Stunden. Dazu wurde die Klasse meines Sohnes in drei Gruppen geteilt. Der Schichtplan begann am Pfingstmontag, ein Feiertag, an dem der Unterricht für Gruppe A also gleich ausfiel. Ebenso Donnerstag und Freitag, wegen mündlicher Abiturprüfungen.

Am Anfang der Folgewoche kommt eine Mail: Bis Mitte der Woche sollen bitte alle Lehrbücher, die wir von der Schule leihen, zurückgegeben werden. Ich bin irritiert – jetzt gibt es endlich wieder Unterricht, aber ohne Bücher. „Äh, egal, zwei Wochen vor Ferien ist ja sowieso Notenschluss“, sagt mein Sohn.

Seit Beginn des Homeschoolings im März habe ich nur die Bücher für Bio und Französisch kennengelernt. Alle anderen wurden kaum genutzt. Wie jedes Jahr. Trotzdem kam Mitte Mai die Bücherliste fürs kommende Schuljahr. 80 Euro für Bücher, die die Kinder nicht brauchen. Jegliche Diskussion darüber im Schulelternrat versandet, denn Lehrkräfte dürfen selbst über ihr Unterrichtsmaterial entscheiden. Die meisten ziehen Arbeitsblätter vor.

Sicher gibt es Kinder, die diese Blätter ordentlich abheften. Bei uns haben sie eher die Tendenz, zu verschwinden, zu zerknicken und nicht in dem Hefter zu sein, in den sie gehören. Das erschwert das Lernen für Klassenarbeiten massiv, es ist ja das einzige Lehrmaterial. Seit März wurden Arbeitsblätter auf die digitale Lernplattform hochgeladen. Da standen sie nun sicher und immer einsehbar: ein Traum. Jetzt aber werden wieder „echte“ Zettel ausgeteilt, die sofort im Nirwana des Kinderzimmers verschwinden. Gaby Coldewey

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