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berliner szenenDitt sind doch allet Hartzis

Die Frau, die bei uns das Treppenhaus saubermacht, sagte letzte Woche, sie wisse nicht, ob sie diese Woche kommen könne, weil die Kita ihrer Tochter die Betreuungszeiten geändert habe. „8 bis 16 Uhr“, sagte sie, „ditt hilft mir janischt. Ick bin alleinerziehend und brauche die Betreuung ab 6 Uhr, sonst schaff ick meine Arbeit nich.“ Der Vater lebt zwei Autostunden entfernt. „Soll ich jetzt bis zum Herbst meine Tochter nicht mehr sehen?“

Ich stehe auf halber Treppe bei den Briefkästen, sie unten im Hauseingang. Sie arbeitet unfassbar schnell. Meistens schaffe ich es noch, ihr hallo zu sagen, wenn sie den Dreck vor unserer Tür wegmacht, dann ist sie schon wieder verschwunden. Wenigstens versuche ich in letzter Zeit dran zu denken, bei uns oben die Fußmatten zu entfernen, um ihr die Arbeit zu erleichtern. Ich klemme sie zwischen die Gitterstäbe des Geländers, damit die Gebäudereinigerin leichter wischen kann und um mein Gewissen zu beschwichtigen, weil mein Kind immer den halben Sandkasten mit nach Hause bringt.

Sie sei noch in der Probezeit und habe keinen festen Vertrag, sie könne nicht zu ihrem Chef gehen und sagen: Hallo Chef, ab morgen arbeite ich zwei Stunden weniger. „Da bräuchtick ’n nächsten Tach nich mehr wiederkommen.“ Die anderen Eltern in ihrer Kita-Watsapp-Gruppe seien begeistert von den Betreungszeiten. „Ditt sind doch allet Hartzis!“, sagt sie. „Die sitzen doch eh nur zu Hause und nennen ditt Homeoffice.“

„Oh Mann“, stottere ich, „ich weiß gar nicht, was ich sagen soll.“ Sie lacht bitter. „Na nüscht. Is halt Scheiße!“

„Ach“, sagt sie, „und wenn Sie bitte nicht mehr die Fußmatten zwischen die Geländer klemmen könnten. Der Dreck rieselt durchs Treppenhaus und denn muss ick jedes Mal das Geländer mitmachen. Is doppelte Arbeit für mich.“ Lea Streisand

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