berliner szenen: Maske nach Rezept aus China
In der Coronakrise gab es auch ein paar persönliche Erfolge. Ich hatte die Innereien einer Steckdose, die zwei Jahre lang unschön aus der Wand raushingen, wieder in das Steckdosenloch gestopft und alles mithilfe eines hölzernen Lineals aus einem Werbemitbringsel des Polnischen Instituts befestigt. Ich hatte meine Pacman-Fähigkeiten vervollkommnet und mich oft mit dem Glitch verbündet. Vor sieben Wochen hatte ich mir meine erste Maske nach chinesischem Rezept gebaut und war ganz stolz auf meine Improvisierungskünste gewesen: statt Küchenrolle hatte ich vierlagiges Klopapier, statt Gummiband den Antennendraht des alten Küchenradios benutzt, das ich von meinen Eltern geerbt hatte.
Eine Weile war es dann oft so gewesen: Wenn ich mit meinen selbst gebauten Masken einkaufen gegangen war, hatte kaum einer Masken angehabt. Wenn ich sie vergessen hatte, trugen fast alle Masken und ich schämte mich an der Kasse, weil ich nur meinen Schal vor Mund und Nase hielt. Als das Maskentragen Pflicht geworden war, fühlte ich mich verunsichert; in der U-Bahn war es okay, beim Einkaufen eher unangenehm. Weil die Leute so viel mit ihren ungewohnten Masken zu tun hatten, unter denen sie schwitzten, liefen sie nervös durcheinander und waren froh, als sie wieder draußen waren.
Weil fast alle professionell gefertigte Masken trugen, fühlte man sich underdressed und freute sich über einen anderen Kunden, der eine Kaffeefilter-Maske trug, obgleich das Internet von Kaffeefiltern und Staubsaugerbeuteln abgeraten hatte. Aus Tempos und Küchenrolle gebaute Masken sind 80 Prozent so sicher wie OP-Masken, wurde ermittelt und ich bin ich mir nicht sicher, ob der Mann unter seinem Kaffeefilter nicht doch noch ein Taschentuch dazwischengeschaltet hatte.
Detlef Kuhlbrodt
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