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berliner szenenWir haben Goldene Hochzeit

Ich habe schon immer mit meinen Pflanzen gesprochen. Soll ja gesund sein. Für die Pflanzen. Inzwischen mache ich mir aber, trotz Entwarnung von Online-Psychologen, manchmal Sorgen, ob das auch in die andere Richtung gilt. Erst recht, wenn ich aus der Wohnung gehe und im Treppenhaus feststelle, dass ich noch nicht tschüs gesagt habe. Also zurück. Mich ordentlich verabschieden, vor allem von der Rose auf dem Balkon, die jedes Mal, wenn ich ohne Gruß Milch kaufen gehe, ein Blatt mehr hängen lässt.

Da ich nun, mangels gastronomischer Grundversorgung, ständig einkaufen gehe, käme Grußlosigkeit einem Kahlschlag gleich. Da kann auch der beste Frühling nicht gegen an. Wobei der wirklich gut ist. Nur ein bisschen schnell. Der Flieder war kaum aufgeblüht, da welkte er schon wieder dahin. Auch die Blutbuchen auf dem Spielplatz haben sich von einem Tag auf den anderen derart verausgabt, dass ich fürchtete, sie würden ihren ganzen Behang direkt wieder abwerfen. Beim letzten Einkaufsevent stelle ich jedoch beruhigt fest, dass die Blätter noch dran sind. Drunter sitzt, wie unter einem barocken Theatervorhang, ein Pärchen im Risikogruppen-Alter. Er hat seine Hand zwischen ihren Schenkeln. Sie trägt Mundschutz, er keinen. Die Logik macht mir Kopfzerbrechen. Aber es muss nicht jedes fortgeschrittene Paar im selben Jogginganzug durch die Gegend laufen.

Noch mehr Kopfzerbrechen macht mir die Frage, wie die beiden auf den Spielplatz kamen. Er ist umzäunt. Das Absperrband am Tor unversehrt. Während ich noch überlege, ob ich in letzter Zeit halluzinationsanfällig wurde, meldet sich der Mann zu Wort: „Wir gehen gleich wieder“, sagt er entschuldigend. „Wir haben heute Goldene Hochzeit.“ Ich gratuliere. Dann renne ich nach Hause und erzähle es den Pflanzen. Astrid Kaminski

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