piwik no script img

berliner szenenHatten wir uns anders vorgestellt

Ich hatte mir das Homeoffice eigentlich sehr schön vorgestellt: Endlich wieder arbeiten, wann, wie und wo ich will. Nun sitze ich mit meiner Tochter, die auf unabsehbare Zeit nicht mehr zu Oma, Opa oder Freunden kann, auf der Waldlichtung hinter unserem Haus. Während sie Verstecken spielen möchte, bekomme ich eine E-Mail nach der anderen. Arbeitsstelle Nummer 1 schreibt, ich solle einen Arbeitsplan schicken und sicherstellen, während meiner Arbeitszeiten jederzeit erreichbar zu sein. Arbeitgeber Nummer 2 schreibt, dass er wegen der Corona-bedingten unvorhergesehenen Einnahmeausfälle nicht umhinkäme, alle Honorarverträge aufzuheben.

Panisch bitte ich meine Tochter, sich schon einmal zu verstecken, und schreibe Chefin Nummer 2 schnell eine Mail. Die ruft an und versucht mich zu beruhigen: „Ich versuche, dich zu halten“, schiebt dann jedoch nach: „Dafür muss ich aber sicher sein können, dass du sofort einsatzbereit bist.“ In dem Moment schreit meine Tochter unüberhörbar aus dem Hintergrund: „Mann Mama, nicht telefonieren, suchen!“

Es ist noch nicht lange her, dass die Schülerinnen an meiner Schule nur kicherten, wenn ich sie bat, in ihre Armbeugen zu niesen. Corona schien ihnen nichts, was sie betraf. So demonstrierten sie fröhlich ihren Corona-Gruß – einmal Hacken aneinanderschlagen – und machten Witze, wie leicht man in vollen Bussen und Bahnen an Sitzplätze käme: „Einfach husten und laut ‚Scheiß Corona!‘ schreien.“ Nun schreibt eine von ihnen: „Wir haben voll viel zu tun, ich habe keinen Computer, meine Eltern arbeiten und meine Schwester nervt. Nichts mit Corona-Ferien.“

Ich will gerade antworten, als meine Tochter ruft: „Wann spielen wir denn endlich? Ich warte schon ewige Stunden! Wir wollten doch Spaß haben zusammen!“ Eva-Lena Lörzer

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen