berliner szenen: Abenteuer in der Quarantäne
Um nicht verrückt zu werden, stehe ich im Morgengrauen auf und fahre mit dem Fahrrad aufs Tempelhofer Feld. Selbst um diese Uhrzeit ist mir wichtig, dass Abstand gehalten werden kann, was auf den ehemaligen Landebahnen der Flugzeuge einfacher ist als beispielsweise auf der Fahrbahn der Sonnenallee.
Früh auf den Beinen zu sein, erinnert mich an Zeiten, als ich zeitig aufstehen musste, um in Tegel ein Flugzeug zu erwischen. Bei mir war es immer so, dass ich im Urlaub früh aufwache, egal, wie lange ich vorher geschlafen habe. Ich wollte mir also auf dem Tempelhofer Feld den Sonnenaufgang angucken. Ganz alleine den Ort erkunden und dann, wenn die ersten Cafés aufmachen, einen Kaffee trinken. Das war früher ein Ritual, das ich geliebt habe. Als erster Gast im Café habe ich die Geschehnisse am Tag zuvor ins Notizbuch geschrieben und dazu ein Croissant gemümmelt, um meine noch schlafenden Begleitung (wenn ich eine hatte) danach mit Frühstück zu überraschen.
Obwohl ich erst Anfang Dezember in Italien war, kommt es mir vor, als wäre das in einem früheren Leben passiert. Vielleicht muss ich mich damit abfinden. Deshalb gestatte ich mir aber nicht, darüber zu sentimental zu werden. Mir wird klar, dass ich früher keinen Gedanken daran verschwendete, wie privilegiert ich war, frei umherreisen zu können. Und dabei in aller Ruhe mein Morgenritual zu machen.
Darüber denke ich auf dem Heimweg nach. Kaffeertrinken fällt flach, kein Café hat mehr geöffnet. Ich kaufe auch keine Croissants, weil zu Hause niemand auf mich wartet. Ich wohne alleine und bleibe dort in freiwilliger Quarantäne. Zum Glück erinnere ich mich daran, dass ich Mehl zu Hause habe und bin plötzlich begeistert von der Idee, Brot zu backen. Das ist eine Premiere und ein kleines Abenteurer, bevor ich mit Home-Office anfange. Luciana Ferrando
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