berliner szenen: Die mit der App kämpfen
Ich warte vorm S-Bahnhof Treptower Park auf A. Ich tippele, jetzt bloß keine kalten Muskeln bekommen. A. kommt angerannt und grinst: „Bin ein paar Minuten zu spät. Dafür ablaufbereit!“ – „Super, also hat sie dich schon gefunden?“, „Ja – ah, warte. Nein, Mist. Sie hat mich wieder verloren.“ A. kramt ihr Smartphone aus dem Laufarmband: „Ich starte die App neu.“
Zeit, die eigene App zu überprüfen. GPS-Standort stimmt, bisherige Laufleistung: langsam. Das Bild einer Schildkröte blinkt mahnend auf. Ja, ja, gleich wird ein bisschen Tempo gemacht. Vorausgesetzt, die App lässt uns bald loslaufen. Aber ohne Tracking – kein Erfolg. Einleuchtend. Soll etwa nur Spaß am Sport, gute Luft, das Runners High motivieren, ne Stunde lang durch den Plänterwald zu rennen? So ein paar App-Auszeichnungen gehören schon dazu.
Immerhin vergleichen A. und ich uns noch persönlich und können diverse Wehwehchen für langsame Einheiten verantwortlich machen. Wie viel härter ist das Spiel in der Instagram-Laufcommunity. Da hauen die Läufer*innen täglich Bestzeiten mit glücklichen Laufbildern für Likes und Glückwünsche raus. Und sind die ambitionierten Freizeitsportler*innen mal krank oder einfach müde, gibt es ein entschuldigendes „Restday“-Foto mit dem weisen Spruch: „Hört auf euren Körper, Leute.“ Soll bloß niemand denken, man sei grundlos faul.
„Mist. Im Wald hatte ich kein GPS-Signal.“ Wir steuern wieder auf die S-Bahn-Station zu. Die 10 Kilometer sind in den Beinen, aber virtuell noch nicht vollständig verzeichnet. Also wird noch eine Schleife gedreht. Unter den spöttischen Blicken der Laufpartnerin, bei der die App heute gnädiger war. Wie war das, als zur Bestätigung der eigene müde Körper und die anerkennenden Blicke der Spaziergänger reichten? Hah. Okay, Boomer.
Linda Gerner
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