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berliner szenenSag mir quando

Wir müssen das Beste machen aus den neuen 20ern!“ – „Ja, aber wir müssen auch zusehen, dass wir noch die 30er erleben!“ – „Step by step, Mensch, step by step. Erst mal die 20er genießen.“ – „Solange der Alkohol fließt, kann nichts passieren.“ – „Es sei denn, es kommt eine Krankheit oder der Tod.“ – „Lass uns einfach Spaß haben. Darum geht es doch im Leben.“

Die etwa 60-Jährigen neben mir an der Bar prosten sich zu, stürzen ihr Bier runter und bestellen Gin. Der bereits Ergraute der beiden meint: „Die Leute sagen: Denk mal über dein Leben nach. Und ich frage: Ja, und dann?“ Der Blonde neben ihm winkt ab: „Nee. Ohne Alkohol ist’s auch nix. Da hat man nur Druck.“ Sie bestellen mehr Gin. Nach dem dritten Glas beginnt der Ergraute zu singen: „Sag mir quando, sag mir wann?“ Sein Kumpel stimmt mit ein. Die beiden stehen auf und beginnen zu tanzen. Schulter an Schulter, Kopf an Kopf.

Zurück an der Bar bittet der Ergraute um die Rechnung. Der Blonde greift nach seinen Händen und fragt: „Und für heute ist’s echt schon vorbei?“ Und fügt überredend hinzu: „Komm, Mensch! Da läuft doch grad was!“ Der Ergraute entzieht seine Hände: „Nee, muss echt los.“ Der Blonde nickt: „Komm mal wieder, wenn du Kohle hast und gib einen aus! Und jetzt ab nach Hause und auch keinen Döner mehr.“

Die Barfrau legt die Rechnung hin: „Das macht 38,50, Schatz.“ Der Ergraute wirft ihr zwei Zwanziger hin. Sein Trinkkumpan prostet ihm zu: „Auf die neuen goldenen Zwanziger!“ Und fragt dann: „Hast du eigentlich Ziele?“ Der Ergraute angelt nach seiner Jacke und nuschelt: „Schon lange nicht mehr. Noch etwas leben eben.“ In dem Moment ertönt aus der Jukebox: „You gotta fight for your right to party“ von den Beastie Boys. Die beiden grölen mit. Eva-Lena Lörzer

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