berliner szenen: Winkende Männer in Orange
Müllmann müsste man sein. Das denke ich oft, wenn ich mir morgens das quengelnde Kind auf den Gepäckträger schnalle, und plötzlich bricht es in Jubelschreie aus wie die Engelchen beim Hosianna, weil ein orange Auto um die Ecke biegt. „Auto, Auto!“, jubelt das Kind.
Mein Kind liebt Autos so sehr, wie ich sie verabscheue, je größer, desto heißer. Am allermeisten liebt das Kind Müllautos. Da sind wir uns immerhin einig. Die finde ich auch sympathisch. Sie machen den Dreck weg, leeren unsere Mülltonnen und reinigen unser Gewissen, weil wir kurz mal so tun können, als hätten wir gar keinen Müll produziert.
Apropos Ökobilanz. Mein Kind liebt auch Flugzeuge. Und das als Pankower! Es ist so peinlich. Zum Glück ist es wenigstens niedlich, noch lachen die Passanten, die vorrübergehen, während das Kind die Ärmchen zum Himmel streckt und vor Freude auf der Stelle tanzt, während die dritte Maschine innerhalb der letzten zehn Minuten über unsere Köpfe hinweg donnert.
Und immerhin wird seine Zuneigung von den Müllautos wenigstens erwidert.
Einer der Männer ist so groß und breit, als wäre er eine Superheldenfigur, die aus einem Comic abgehauen ist. Er trägt kurze Hosen. Bei 3 Grad Celsius. Darunter tanzen seine Waden beim Laufen, rund und prall wie Medizinbälle, während er mit einer Hand zwei Riesencontainer um die eigene Achse trudeln lässt und in der anderen drei Tannenbaumleichen jongliert. Das Kind lacht und johlt und jubelt. „Da!“, ruft es. „Da! Da! Daaa!“
Die Müllmänner lachen auch und winken. Alle auf einmal. Ein riesiges orange Auto voller riesiger winkender apfelsinenfarbener Männer. Ich möchte einmal auf der Bühne einen Hauch solcher Begeisterung beim Publikum auslösen.
Lea Streisand
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