berliner szenen: Mails von Peggy
Mein Mann hat Gläser mitgebracht. Sechs große Kisten. „Die sollten in den Müll“, sagt er empört. Nun stehen die Geretteten im Weg und machen mich wahnsinnig. Ab damit in die Kleinanzeige! Am Freitag kommt eine Mail von Peggy. Sie will zehn Gläser. Dass es dann so irre kompliziert wird, liegt nicht nur an ihren mangelnden Deutschkenntnissen.
„Sind Ihre Gläser noch vorhanden?“, ist die erste Mail. Sie hat die gleiche Postleitzahl wie ich, da kommt sie gleich vorbei, denke ich. Dann schickt sie mir das Bild meiner Gläser und schreibt dazu „Bild von den Gläsern.“ Wie jetzt? Ich bitte um Terminvereinbarung. Die Antwort kommt schnell: „Pro Stück Trinkglas 0,50 € richtig? Ich könnte meinen Sohn, der 18 Jahre alt ist schicken, er kann übers WE vorbeikommen.“
Mir völlig egal, wer vorbeikommt. Es ist Freitagabend, ich würde gern mein Wochenende planen und bleibe höflich: „Genau, 50 Cent. Wir sind nicht immer zu Hause, wann wollt ihr kommen?“ Die Antwort macht mich nervös: „Ja“, schreibt Peggy. Dann eine weitere Mail: „Es geht auch, wenn Sie am S-Bahn Pankow kommen, dort verabreden & abholen können wir auch.“
Es folgen mehrere Mails wie „Bitte Ihre Adresse. Mein Sohn wird morgen bei Ihnen abholen, erst Nachmittag sein“ und „Mein Sohn kann erst am Sonntag gesagt, ist das in Ordnung?“ Nachts träume ich von Peggy. Samstag geht es weiter: „Sind diese Gläser, richtig? Wir wollen davon haben, 10 stk 350 ml“, schreibt Peggy. „Wie auf dem Hauptbild stehen.“ Ich verliere die Contenance: „Kommen Sie doch vorbei, statt so viele Mails zu schicken.“ – „Ja. Schönes Wochenende!“, antwortet Peggy. Am Sonntag um drei ruft sie an. Ich muss ihr den Weg beschreiben, sie hat ihren Sohn dabei. Vermutlich ist sie nett. Aber sie spricht noch schlechter Deutsch, als sie schreibt. Gaby Coldewey
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