berliner szenen: Schwer und superteuer
Das Kind ruft von unterwegs an. Er habe da einen Plattenspieler auf der Straße gefunden. Generation Smartphone hat vor Ort gleich mal im Netz recherchiert: „Der ist total teuer.“
Zu zweit schleppen sie das Gerät ins Kinderzimmer. Dann die Ernüchterung: Er geht leider nicht mehr. Klar, denke ich, einen superteuren funktionierenden Plattenspieler stellt keiner vors Haus. Es kommt wie erwartet: Der große, schwere Plattenspieler bleibt im Kinderzimmer stehen. Allein kriegt man den schlecht wieder raus. Und wohin auch? Ich habe keine Lust, ihn per Transportrad zum Recyclinghof zu bringen. Und bei dem regnerischen Novemberwetter stell ich ihn nicht einfach wieder raus.
Kurzentschlossen recherchiere ich selber und stelle fest, dass das Modell im Internet für drei- bis vierstellige Beträge gehandelt wird. Selbst für kaputte Geräte gibt es noch viel Geld. Allerdings beschreiben da auch Technikfreaks detailliert die Defekte. Egal, das Ding soll weg. „40 Euro, für Bastler“ schreibe ich in die Anzeige. Und vorsichtshalber noch „nur Selbstabholer“. Keine fünf Minuten später klingelt das Telefon: Sergei aus Hannover. Ob ich den Plattenspieler auch verschicken würde. „Äh, nee, hab ich doch extra dazu geschrieben. Der ist total schwer, das würde richtig teuer.“ Sergeis Deutsch ist etwas holprig, aber er will diesen Plattenspieler. „Versand kostet 11 Euro“, sagt er. Als ich zögere, sagt er schnell: „Okay, ich überweise 60 Euro.“
Ich hole einen Umzugskarton aus dem Keller und grüble über Füllmaterial. Das Packen dauert fast eine Stunde, Sergei ruft noch dreimal an und gibt technische Anweisungen. Das Kind kommt nach Hause, erkundigt sich nach dem riesigen Paket und kommentiert beiläufig: „Das Geld gehört dann aber mir, oder? Ich hab den Plattenspieler ja schließlich gefunden.“ Gaby Coldewey
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