berliner szenen: Liegt der tote Künstler nebenan?
Bis vergangenen Sonntag wusste ich nicht, dass der Musiker Daniel Johnston gestorben war, weil ich nicht einmal wusste, dass er jemals existiert hatte. Hätte ich ihn gekannt, hätte ich längst an sonnigen oder traurigen Tage seine Lieder – am liebsten auf Schallplatten – pausenlos gespielt.
Ich treffe mich an einem verregneten Sonntag mit einem Freund, um seinen Geburtstag zu feiern und ein Bier zu trinken (sein erstes Bier, seitdem er kein Alkohol mehr trinkt). „Hommage an Daniel Johnston in der Donaustraße“ bekommt er getextet und hat anfangs keine Lust, in dem überfüllten, sauerstoffarmen Raum zu sitzen. Seine Freund*innen überzeugen ihn, und das ist die richtige Entscheidung.
Die Atmosphäre ist von der erste Sekunde an so emotional und feierlich, dass ich kurz glaube, der tote Künstler würde im Nebenraum liegen und warten, besucht zu werden. Ein rothaariger Mann hält eine Rede mit gebrochener Stimme, ein anderer streichelt eine weise Ukulele und entschuldigt sich, Anfänger zu sein, eine Frau widmet ein Lied ihrem Bruder, der sie ermutigt habe, Gitarre zu spielen. „Ich habe sein Bild an der Wand“, flüstert sie. Eine sehr junge Frau sitzt auf dem Boden und singt ein Lied Namens „I am a baby (in my universe)“, als wäre es eine Gute-Nacht-Geschichte.
Ich höre das erste Mal in meinem Leben „True love will find you in the end“ und versuche, gegen die Tränen anzukämpfen. Je mehr Texte ich höre, desto mehr frage ich mich, warum ich Daniel Johnston nicht früher entdeckt habe. Nach der Pause gehen Freund und Geburtstagstruppe nach Hause, ich bleibe bis zum Schluss. Ich würde für immer bleiben. Ich würde immer wieder zusammen mit den anderen „Devil Town“ intonieren und „Alle meine Freunde sind Vampire“ richtig laut singen.
Luciana Ferrando
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