berliner szenen: Der Mann von nebenan
Kurz nachdem mich ein Mann an meiner Bushaltestelle angesprochen hatte, schickt er mir eine Freundschaftsanfrage auf Facebook. Sein Profilfoto zeigt ihn mit einer Frau, sein Status ist „in einer Beziehung“. Ich gehe davon aus, dass er sich einfach für meine Arbeit interessiert – ich hatte ihm auf Nachfrage erzählt, dass ich schreibe –. und nehme an.
Er sendet ein „Hey“. Ich weiß nicht, was ich entgegnen soll. Wir konnten uns schon bei unserer Begegnung nur mithilfe von Google Translate verständigen, weil er nur Russisch spricht. Als ich nicht reagiere, schickt er Emojis. Ich antworte, dass ich einem Emoji-Austausch nichts abgewinnen kann, und bin überzeugt, nie wieder von ihm zu hören.
Wochen später aber fragt er, ob ich ihn treffen möchte: „Wohne in Nähe. Mit Kollegen.“ Irritiert frage ich nach seiner Adresse: Er lebt tatsächlich drei Häuser von mir entfernt.
Ich bin gerade aus Sankt Petersburg zurückgekommen und etwas nostalgisch. Für einen Moment stelle ich es mir interessant vor, mir das Berliner Leben von ihm und seinen Kollegen anzusehen.
Ich frage mich seit Jahren, was in ihrem Haus vor sich geht, es ist das einzige runtergekommene in meiner Straße. Die Fenster wurden irgendwann eingeschlagen und nie repariert. Nachts sieht man im Vorbeigehen Männer in unmöblierten Räumen kampieren.
Erst im zweiten Moment frage ich mich, woher er weiß, dass ich in der Nähe lebe. Ich schreibe, dass ich keine Zeit habe. Mitten in der Nacht antwortet er: „Ich liebe Dich.“ Ich erwidere, dass die letzte Nachricht hoffentlich für eine andere bestimmt gewesen sei.
Er schreibt: „Ups. Tzz. Solch Fehler darf nicht.“ Ich bin unsicher, worauf er sich bezieht, stimme ihm aber in jedem Fall innerlich zu.
Eva-Lena Lörzer
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