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berliner szenenSchlussmitJesus

Halleluja! In der zweiten Kinoreihe geht vor Freude direkt eine Faust in die Luft. Es gibt doch keine Werbung vor Kanye Wests „Jesus Is King“, der Filmbeigabe zum neuen Album des Rappers. Der Imax-Gottesdienst fängt ohne Umschweife kurz nach halb sieben an. Und kommt direkt zur Sache: Der Herr ist groß. Instant-Inbrunst auf der Monsterleinwand.

Im fast ausverkauften Megasaal im UCI Luxe am Mercedes-Platz will die Stimmung trotzdem nicht so richtig abendmahlmäßig werden. Das Ganze funktioniert eher wie eine Prozession. Während Kanye mit seinem Chor von Gospel zu Carmina Burana wechselt, zieht immer noch eine weitere siebenköpfige Gruppe von 26- bis 31-jährigen Kapuzenmenschen in den Saal. Und dann noch eine. Als die letzten Jünger in ihren Daunenjacken auf weiß leuchtenden Sneakers hereinschlurfen, ist fast schon wieder Zeit für den finalen Segen. Nach einer guten halben Stunde ist Schluss mit Jesus. „Der will mich doch verarschen“, meint einer, bei dem das mit der religiösen Ekstase nicht recht geklappt hat.

Draußen, auf dem Kirchplatz in Benztown, findet sich die Gemeinde unter leuch­tenden Mercedes-Säulen wieder. Einige haben ihre Opfertüten noch fast unberührt in der Hand und führen sie unter dem einsetzenden Regen spazieren, bis obenhin voll mit Popcorn. Andere vergnügen sich zwischen den Wasserfontänen auf dem Platz, als wär Spätsommer. Die Tannenbäume stehen schon, aber der Punschstand hat noch nicht auf.

„Wir haben doch alles, was wir brauchen“, sang Kanye in einer Pusteblumenszene voller Licht und Leuchten. Davor lief ein kleines Bambi durchs Bild. Und danach, auf der Toi­lette, läuft dieser wiederauferstandene Song von Modern Talking, in der Version von Kay One: Halle-Louie-Louie-Louie … Rap ist eben auch King. Arno Raffeiner

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