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berliner szenenDanke, aber nein

Vor einem Café am Heinrichplatz lese ich gerade eine Zeitung und freue mich, dass ich Ende Oktober noch draußen sitzen kann, als ich plötzlich eine männliche Stimme vor mir höre. Die Stimme sagt auf Englisch: „Hi, ich bin Benny aus Kanada und ich kann chinesisches Handlesen. Hast du Interesse daran? Es dauert auch nur ein paar Minuten und kostest ganz wenig.“

Ich blicke nach oben, lehne lächelnd ab, sage: „Nein, danke“. Daraufhin blickt Benny nach unten auf die Zeitung vor mir und sagt: „Kann ich dir stattdessen aus der Zeitung vorlesen? Ich habe eine fantastische Zeitungvorlesestimme.“ Ich muss noch mehr lächeln, lehne aber auch dieses Angebot ab. Als er weitergeht, ärgere ich mich ein bisschen über diese Automatik des Ablehnens, die ich mir ungewollt angewöhnt habe.

Ich wurde schon so oft auf der Straße oder in der ­U-Bahn angesprochen. Manchmal gab ich Geld, manchmal nicht. Oft setzte schon vor dem Nachdenken darüber, ob ich der bittenden Person Geld geben sollte oder nicht, diese Automatik des Ablehnens ein. Jetzt kann ich zumindest nicht mehr erfahren, was man nach chinesischer Tradition aus meinen Handlinien hätte lesen können oder wie es sich anhört, wenn ein Kanadier auf Deutsch vorliest. Ich blicke auf die Zeitung, beginne zu lesen, als ich schon wieder eine Stimme höre. Es ist ein Mann um die dreißig, der selbst gemachten Schmuck aus Messing verkaufen möchte, damit seine Freundin Schlafsäcke für Obdachlose kaufen kann. Den Schmuck hält er in seinen Händen, aufbewahrt in einer Tupperdose. Ich betrachte erst den Schmuck, dann das Pärchen. Dieses Mal setzt nicht sofort die Automatik des Ablehnens ein. Nein, dieses Mal bin ich skeptisch. Ich sage wieder „Nein, danke“. Und frage mich dabei, ob ein „Ja, gern“ nicht besser gewesen wäre. Eva Müller-Foell

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