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berliner szenenNackt oder nicht nackt?

Es stehen nur zwei Autos da. Wenn ich Glück habe, habe ich den Strand für mich allein. Mein Lieblingssee liegt still da, seine Ufer sind grün, die Bäume nicht vertrocknet wie in den umliegenden brandenburgischen Wäldern. Nur zwei Angler sitzen ein Stück weit weg am Ufer.

Nackt oder nicht nackt ins Wasser, das ist hier die Frage.

Im Sommer, wenn die tätowierten Berliner*innen meinen Strand in Besitz nehmen, ist die leicht zu beantworten. Sind viele nackt und meine Kinder nicht dabei, ziehe ich den Badeanzug nicht an. Sind wenige nackt, gehe ich auch bekleidet ins Wasser.

Jetzt aber zum Sommer­ende bin ich allein, die Angler sind allerdings in Sichtweite. Angler sind komische Menschen, ich lasse den Badeanzug lieber an.

Das Wasser ist kalt, die Füße und die Beine schmerzen, und es kostet Überwindung, ins Wasser zu tauchen. Nach zwei Minuten hat der Körper seine Heizung in Gang gebracht und ich spüre die Kälte nicht mehr. Ich bilde mir ein, dass der Körper zum Erwärmen viel Fett verbrennt und ich so Gewicht verliere, das motiviert mich zusätzlich.

Schwimmen ist vom inneren Zustand her ein bisschen wie Bügeln oder Tai-Chi. Ich träume vor mich hin, löse Probleme, überlege, was ich kochen werde heute Abend oder an wen ich noch E-Mails verschicken muss.

Dicht vor mir landen ein paar Enten und erschrecken mich. Plötzlich merke ich, dass das Wasser doch ziemlich kalt ist, und ich bekomme Panik, ob meine Gelenke nicht so steif werden, dass ich es nicht mehr ans Ufer schaffe. Ist natürlich Quatsch.

Wind ist aufgekommen, es wird richtig kalt, mir schlottern die Knie, ich ziehe mich an und ich renne zum Fahrrad. Auf der Heckklappe des Anglerautos sind zwei Aufkleber, auf einem steht: „Mein anderes Spielzeug hat Titten“. Elke Eckert

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