berliner szenen: Antiheldin mit feurigen Pupillen
Genau in dem Moment, als ich mein Notizbuch aus der Tasche nehme, um ein paar Gedanken niederzuschreiben, kommt die Frau von der Parkbank gegenüber zu mir. Je näher sie kommt, desto klarer wird, dass sie eine kurze Hose anhat. Diese ist aber sehr eng und entspricht genau ihrer Hautfarbe. Von weiter weg dachte ich, sie sei halbnackt.
Sie stellt ihre Sachen zu meinen Sachen auf der Bank und fragt mich nach einer Zigarette. „Sie sollen drehen, ich kann das nicht“, sagt sie, als ich ihr meine Tabakpackung reiche. Ich gehorche, meine eigene Zigarette im Mundwinkel. Sie zündet sie an und setzt sich neben mich. Ich fange an zu schreiben, doch ich kann spüren, wie sie mich von der Seite anguckt, als würde sie mit ihrem Blick die Haut meiner linken Schläfe verbrennen wollen. Eine Kreuzberger Antiheldin mit feurigen Pupillen.
Als ich mich zu ihr drehe, schaut sie mich eine Weile übertrieben ernst an, ohne einmal zu blinzeln. Als ich „Was ist los?“ fragen will, lächelt sie mich endlich an, ohne Übergang, wie ein Roboter es hätte machen können. Ich lächle müde zurück und versuche mich auf meinen Notizen zu konzentrieren. Die Frau beugt sich plötzlich über mich, um etwas vom Boden aufzuheben. Sie habe eine Sterni-Deckel mit einer Münze verwechselt und hält einen Monolog darüber. „Münzen mit Sternen, das wäre doch was!“, so fängt er an.
„Sorry, heute nicht“, denke ich, und es tut mir leid, keine Lust auf Geschichten zu haben. Dann schreibe ich und sie beobachtet mich. Ich schreibe und rauche, die Frau guckt mich an und raucht. So vergeht die Zeit an diesem warmen Samstagnachmittag, bis ich es irgendwann nicht mehr aushalten kann und gehe. „Viel Spaß heute. Und danke für die Zigarette“, ruft sie mir hinterher.
Luciana Ferrando
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