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berliner szenenI prefer Rotwein, keine Bier

Ich blicke am Schönefelder Flughafen auf die Anzeigetafel und möchte mich am liebsten mit bayerischem Bier an der albernen Almhütte vor dem Flughafengebäude betrinken, denn: ausgerechnet und ausschließlich mein Flug hat Verspätung. Als später zumindest schon mal das Gate angezeigt wird, bin ich eine der Ersten, die sich viel zu früh in die Warteschlange einreiht. Außer mir ist da so ein junger Typ in kurzen Hosen und Badeschlappen, der in wirrem Englisch auf eine Frau einredet. Zum Glück bin ich nicht diese Frau, denke ich, denn der Typ scheint ordentlich zu nerven.

Doch dann sitzt er im Flieger nur eine einzige Reihe vor mir. Neben ihm sitzen eine italienische und eine deutsche Frau, beide zu diesem Zeitpunkt noch unwissend darüber, dass sie die komplette Flugzeit von ihm zugetextet werden. Wie sich herausstellt, heißt der Typ Sergei und kommt aus Moskau. „Ich liebe meine Hauptstadt sehr viel“, sagt er und zieht – klischeehafter kann es kaum sein – einen Jägermeister-Flachmann aus seiner Hosentasche. Er trinkt einen großen Schluck davon und erzählt: „Ich trinke alle Alkohol, nur Bier nicht. I prefer Rotwein, keine Bier.“ Dann dämmert es mir: Der Typ ist vielleicht nicht nur wirr, sondern schon raketendicht. Diese Theorie bestätigt sich, als er versucht, die beiden Frauen zu überreden, von seinem Flachmann zu trinken: „Pleeease, trinkt bitte eine Millimeter! Nur one millimeter, bitte!“ Als er später zur Toilette torkelt und den Jägermeister mit einem lauten „Scheiße!“ verschüttet, nimmt die Stewardess ihm den Flachmann ab. Ich muss schmunzeln und merke, dass dieser betrunkene Typ mit seinem sonderbaren Unterhaltungsprogramm, das es normalerweise bei Billig-Airlines nicht gibt, dafür sorgt, dass ich kaum Flugangst habe. Vielleicht eine Wiedergutmachung für die Verspätung? Eva Müller-Foell

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