berliner szenen: Ich flieg nicht mit nach Kreta
Greta Thunberg ist schuld. Seit unser 13-Jähriger Klima-Aktivist geworden ist, fühle ich mich in die 1980er Jahre katapultiert, als ich meinen Eltern erklärte, warum wir kein Fleisch mehr essen sollten, Autofahren doof sei und ich mich mit einer minimalistischen Grundgarderobe begnügte. Bisher fand unser Sohn das Ökoverhalten seiner Eltern peinlich. „Alle fahren im Sommer nach Kroatien“, wahlweise auch: „Alle waren schon mal in New York.“ Wir fahren mit der Bahn nach Schweden und Rumänien. „Alle haben ein Auto“, wir nur pro Person zwei Fahrräder.
Jetzt ist das anders. Es ist cool, dass wir per Bahn durch Europa fahren. Dass wir kein Fleisch mehr essen, unser Gemüse selber anbauen und weder Geschirrspüler noch Wäschetrockner haben. Verglichen mit den Klassenkameraden ist unser ökologischer Fußabdruck extrem klein. Man sollte meinen, jetzt sei alles gut. Aber falsch, ganz falsch. Denn ich habe eine Pauschalreise gebucht. Das mache ich jedes Jahr im Frühling. In den Herbstferien besuchen wir traditionell Verwandte auf Kreta, worauf wir uns alle immer sehr gefreut haben. Das ist vorbei. „Ich flieg nicht mit nach Kreta!“, tönt mein Sohn seit Wochen. Er spricht von Gewissen, Klima, Flugscham. Ich verstehe das alles. Einzig, die Reise ist gebucht und kann nur mit hohen Verlusten storniert werden. Und wir können auch einen 13-Jährigen nicht eine Woche alleine in Berlin lassen.
Zum Glück haben wir unverhofft eine kleine Atempause. Denn seit einigen Tagen geht das Klimabewusstsein in eine neue Runde. „Am Wochenende laufe ich jetzt immer barfuß. Das ist gut für die Umwelt, man braucht dann nicht so oft neue Schuhe.“ Für diese Woche ist Regen angekündigt, es wird kühler. Wir diskutieren jetzt also mal ein neues Thema – ich freu mich drauf. Gaby Coldewey
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