berliner szenen: Russland rächt sich jetzt
Da sieht man, wie es um das Verhältnis zwischen Deutschland und Russland bestellt ist“, sagt die Frau in der Visumsagentur mit schiefem Lächeln, als ich ungläubig den Kopf schüttle, weil sie meint, dass mein Arbeitsvertrag eventuell nicht als Nachweis meiner Rückkehrwilligkeit reicht. Dann fügt sie hinzu: „Russland rächt sich für Bestimmungen Deutschlands. Wie Kalter Krieg.“
Ich hatte keine Ahnung, wie anstrengend es werden würde, ein Russland-Visum zu beantragen. Erst spät habe ich gesehen, dass man für den Antrag auch seine Finanzen offenlegen muss, und Kontoauszüge ausgedruckt. „Können nur hoffen, dass die durchgehen“, meint die Frau mit kritischem Blick auf meine Zahlungseingänge.
Dann sieht sie den Antrag durch: „Falsch. Und falsch.“ Sie erklärt: „Sie dürfen im Namen keinen Bindestrich haben. Und Sie müssen ankreuzen, dass Sie Einladung haben. Ohne können Sie nicht einreisen.“ Sie zeigt auf eine Preistabelle: „Für 25 Euro stelle ich eine aus. Für neun korrigiere ich alles.“ Auch der Beleg meiner eigens für die Reise abgeschlossenen Krankenversicherung entspricht nicht den Vorgaben. Nach einer Stunde in der Telefonwarteschleife der Versicherung schließe ich entnervt eine neue ab.
Zwei Stunden später meint die Frau: „Gleich haben wir es!“ Sie begutachtet mein Passbild: „Für sechs Euro mache ich Ihnen ein neues.“ Ich starre das Bild an: Durch die Mühen, meinen Kopf im Rahmen des Fotoautomaten zu halten, gucke ich sehr angestrengt. Ich sage: „Aber das Bild ist doch biometrisch.“ Sie fällt mir ins Wort: „Vertrauen Sie mir. Mit dem bösen Blick kommen Sie nicht nach Russland.“ Ich gebe auf. Zufrieden zückt sie einen Fotoapparat: „Eigentlich soll man ja neutral gucken, aber bei Ihnen machen wir eine Ausnahme. Leicht lächeln, bitte! Aber keine Zähne zeigen!“ Eva-Lena Lörzer
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen