piwik no script img

berliner szenenSpielerinnen in der Mannschaft

Beim Einsteigen in die S-Bahn zucke ich zusammen. Überall Herthafans. Da die nächste Bahn sicher nicht leerer sein wird, steige ich dennoch ein. Als sich der Waggon am Olympiastadion leert, murmelt die alte Dame neben mir: „Was es für einen Unterschied macht, wenn die wilden Kerle da weg sind.“ Ich entgegne: „Ach, die waren doch noch harmlos. Kein Singen, keine Sprüche, kein Übergeben. Da habe ich schon ganz anderes erlebt.“ Sie lächelt: „Wohl wahr. Wenn die in der großen Gruppe ihre Parolen brüllen, wird mir immer anders. Es mag harmlos sein, aber das gemeinsame Grölen erinnert mich unangenehm an früher.“

Wir kommen ins Gespräch. Über Menschenhorden. Und über Fußball.

Mit einem Mal fragt sie: „Ob es beim Frauenfußball wohl ähnlich zugeht?“ Und sinniert dann: „Warum sieht man eigentlich nichts von den Frauen und ihren Anhängern, obwohl die Nationalmannschaft so viele Titel geholt hat? Die Frauenmannschaft muss doch auch Bundesligaspiele haben? Geht da etwa niemand hin? Oder nimmt man die vermutlich eher weiblichen Anhänger nur nicht so wahr?“ Ich zucke mit den Achseln: „Gute Frage.“

Nach einer Stille fragt sie: „Und warum heißt es eigentlich immer Mannschaft, egal wer spielt? Warum hat sich Frauschaft nicht durchgesetzt?“

Während ich noch darüber nachdenke, setzt sie bereits selbst zur Erklärung an: „Wohl, weil der Begriff besetzt ist.“ Ich sehe sie fragend an. Sie erläutert: „Im Nationalsozialismus gingen aus den Frauenverbänden die Frauenschaften hervor, die die Frauenarbeit leiten sollten.“ Ich horche auf. „Frauenarbeit in der NS-Zeit?“ Sie lacht bitter: „Ja. Hausarbeit.“ Dann meint sie: „Vielleicht sollte man für den Sport ganz neue Begriffe finden. So etwas wie Spielerinnenschaft.“

Eva-Lena Lörzer

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen