berliner szenen: Für 20 Pfund komplett einkleiden
Beim Flanieren in Ku’damm-Nähe stelle ich fest, dass da, wo früher Beate Uhses Erotikgeschäft war und die Vorbeikommenden gefühlt schneller liefen, um ja nicht den Eindruck zu erwecken, ins Schaufenster zu gucken, mittlerweile ein großer irischer Textildiscounter eine weitere Berliner Filiale eröffnet hat.
Als ich vor 15 Jahren in Schottland lebte, habe ich die Kette geliebt. Damals gab es sie noch nicht außerhalb Großbritanniens – und ich besaß noch kein Bewusstsein für die Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie. Die Läden waren für mich eine Entdeckung. Hier konnte man sich für nur 20 Pfund komplett einkleiden, ohne anschließend billig auszusehen. Der Einsturz der Textilfabrik in Bangladesch war für mich eine Wende. Die Bilder der toten Arbeiter*innen gehen mir bis heute nicht aus dem Kopf. Sechs Jahre später frage ich mich: Wer kauft hier noch ein? Neugierig gehe ich rein. Es ist recht leer. Im Eingangsbereich zieht ein Mann einen riesigen lila Stoffkorb auf Rollen hinter sich her. Noch aber liegt nur ein Hemd drin.
Im ersten Stock läuft ein Mann durch die Reihen und singt „It’s my life“. Er nimmt immer mal wieder etwas vom Bügel und begutachtet es, um es dann wieder hinzuhängen. Sonst: nur eine Familie und ein paar Teenagerinnen.
Ich streife durch die Stockwerke, vorbei an Kinderkleidung für fünf Euro und Pumps für zwanzig. Nach wenigen Minuten wird es mir zu viel. Ich fühle mich von der übergroßen Auswahl, den vielen Mustern, dem ganzen Plastik und der Musik regelrecht erschlagen.
Die Vorstellung, hier etwas zu kaufen, ekelt mich nicht nur aus Gewissensgründen an. Vielleicht, denke ich, sollte ich das öfter machen. Kurz in irgendwelche Läden gehen und sehen, was ich nicht verpasse.
Eva-Lena Lörzer
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