berliner szenen: Buenos Aires in Berlin
Wohin wollen wir?“ fragt L., während sie die Tür der Buchhandlung, in der sie arbeitet, abschließt und sich mit einem Blick durch das Schaufenster vergewissert, dass sie auch alles ordnungsgemäß hinterlassen hat. Als von mir nichts kommt, schlägt sie vor, erst einmal in ein kleines Lokal um die Ecke zu gehen: Es soll dort argentinische Küche geben und „es hat Außentische“. Ich nicke: „Passt doch perfekt.“ L. ist in Buenos Aires geboren, ich habe eine Zeit lang in der Stadt gelebt und fühle mich durch L., die ich erst zehn Jahre später hier in Berlin kennengelernt habe, immer wieder an meine Zeit dort erinnert.
Das Lokal wiederum weckt keinerlei Argentiniengefühle: Auf dem Tisch liegt ein Stapel Gala-Hefte, es läuft keine Musik und niemand sitzt hier – und das, obwohl die Außentische Abendsonne haben. Wir bitten um die Karte, blättern sie unentschlossen durch und fragen den Kellner: „Wein oder Quilmes gibt es nicht?“ Der nuschelt nur: „Alkohol könnt ihr vom Späti holen.“ L. flüstert: „Vamos, es gibt noch eine andere argentinische Bar – ich glaube, die ist besser.“
Tatsächlich fühlt sich in dem Lokal eine Ecke weiter alles richtig an: Auf der Karte gibt es neben einer großen Auswahl vegetarischer Empanadas auch Bier, der Kellner ist gut gelaunt und der Blick auf die Danziger Straße erinnert an die Alleen in Buenos Aires. Ich betrachte die Vorbeilaufenden und denke daran, wie schwer mir nach einem Jahr Argentinien das erneute Ankommen in Berlin fiel: Die Stadt wirkte winzig, die Menschen schienen im Vergleich schwermütig und auf sich bezogen.
Der Kellner kommt und fragt, wie es uns geschmeckt hat. Während er und L. auf Spanisch miteinander scherzen, betrachte ich die beiden von der Seite und denke mit einem Mal gerührt: Das ist Buenos Aires in Berlin.
Eva-Lena Lörzer
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