berliner szenen: Homeoffice Tempelhofer Feld
Einen schönen Abend dir noch“, sagt der Fremde am Tempelhofer Feld, als es dunkel wird und die Kälte kaum auszuhalten ist. Er guckt mir dabei direkt in die Augen und verstärkt damit den Eindruck, gemeinsam den Sonnenuntergang angeschaut zu haben.
Als ich auf der Bank neben ihm saß, war die Sonne jedoch gerade hinter dem Tempelhofer Damm verschwunden. Wir tauschen kein Wort miteinander, nur ein paar flüchtige Blicke. Ansonsten schauen wir vor uns hin, wie der Himmel sich von Rot zu Blau und dann endlich zu Schwarz verfärbt.
Davor hatte er sich von zwei Freundinnen mit einem Kuss auf dem Mund verabschiedet, mit einer hatte er auf Italienisch gesprochen, glaube ich zumindest erkannt zu haben. Als wir zu zweit sind, traue ich mich nicht, mein Handy zu checken, weil er das auch nicht tut, und ich befürchte, damit etwas kaputtzumachen, ich weiß nicht, was das wäre.
Mir wird immer kälter, denn ich verbringe an diesem ersten Frühlingstag so viel Zeit draußen, wie ich kann. Es ist Freitag, aber es fühlt sich an, als wäre Feiertag. Die BVG streikt und viele dürfen Homeoffice machen. Ich packe meine Arbeitssachen, richte mein eintägiges Büro am Tempelhofer Feld ein und bleibe auch dort, bis es Abend wird.
Das Feld ist voller gut gelaunter Menschen, Musik, Drachen. Es wird ständig darüber gesprochen, wie schön das Wetter ist, wie gut das für die Stimmung sei. Als der fremde Mann geht, finde ich es schade, doch intuitiv wusste ich, dass er als Erster gehen würde. Ich wollte ihn nicht ansprechen, aber wenn ich es gewollt hätte, hätte ich keinen Plan gehabt, wie.
Dann ist er fort, und ich bleibe alleine am Eingang Oderstraße. Ich nehme mein Handy aus der Lederjacken-Tasche und suche ein Café in der Nähe, um mich aufzuwärmen. Luciana Ferrando
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