berliner szenen: Ohne T-Shirt in der Dunkelheit
Vier Jahre haben wir die Dunkelkammer nicht benutzt. Ich hatte mich daran gewöhnt, die Vergrößerungsapparate, die man als Erstes sieht, wenn man die Wohnung betritt, als Deko oder als Kleiderständer zu empfinden. Doch das Versprechen „Dieser Winter aber!“ war immer da. Dank meines Freundes, der zu Besuch ist und noch nie in einer Dunkelkammer war, organisieren wir einen Termin. Zur Wiedereröffnung kocht er für uns Schnitzel neapolitanischer Art: mit Tomatensoße, Schinken und Käse überbacken. Nach dem Essen sind wir so müde, dass wir uns Mühe geben müssen, mit vollen Magen anzufangen.
Wir haben alles vergessen und schauen uns die Notizen an, die wir dazu damals schrieben: Proportionen von Wasser und Entwickler, Temperatur und Beleuchtungszeit. Wir kontrollieren, dass kein Licht brennt und legen los. Das erste Bild ist ein Phantom mit leuchtenden Punkten, das zweite nur schwarz. Irgendwas müssen wir falsch gemacht haben, denn die Bilder erscheinen so schnell, dass wir kaum Zeit haben, das Papier mit der Zange umzudrehen, es aus der Flüssigkeit zu ziehen. Irgendwann ist uns schwindelig vom chemischen Geruch und wir machen Pause.
Im Wohnzimmer rauchen wir und reden leise, als würde ein Kind schlafen, als wäre es Sommer im Süden und die Männer rauchten ohne T-Shirt in der Dunkelheit. Draußen ist es zu hell, obwohl es zwei Uhr nachts ist. Das Licht ist blau und nebelig, als wäre es das Morgengrauen. „Es ist der Kontrast mit dem roten Licht“, sagt jemand. Es sieht aber ein bisschen aus wie nach einem Atomschlag. Ich schau auf meinem Handy nach. Bei Polizeieinsatz in Berlin finde ich nur Autounfälle. Wenn es die Apokalypse gewesen wäre, wäre es schön gewesen, sie mit Schnitzel und Dunkelkammer zu empfangen.
Luciana Ferrando
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