berliner szenen: Verflucht bis ins letzte Glied
Als ich den Käse nach dem Frühstück wieder einwickeln möchte, mache ich eine furchtbare Entdeckung: Es geht nicht! Ich kann die Käsefolie nicht sachgemäß verschließen, weil die es schon wieder geschafft haben, den Preisaufkleber derart dämlich auf die Folie zu kleben, dass man sie schon nach einmaligem Öffnen nicht mehr benutzen kann.
Sämtliches Blut weicht aus dem Kopf und sammelt sich in der Galle und den Fäusten. Ich werde fast ohnmächtig vor Wut: Die Schweine von Edeka sollen verflucht sein bis ins letzte Glied! Ich hasse sie so sehr, dass ich es gar nicht beschreiben kann, und dennoch werde ich es hier für euch versuchen:
Stellt euch vor, ihr seid ein winziger Fünfjähriger mit doofen Gummistiefeln, der jeden Tag allein acht Kilometer durch Schlamm, Gestrüpp und Stacheldraht zum Kindergarten muss. Und jeden Tag lauert an derselben Ecke ein riesiger Fünfzigjähriger, der supercoole Camouflage-Gummistiefel trägt. Ihr könnt ihm nicht ausweichen, denn die Hans-Igel-Brücke, die einzige Alternativroute zum Kindergarten, wurde im Krieg zerstört.
Er haut euch und verbrennt eure Gummistiefel auf dem verkohlten Haufen, der mal eure Gummistiefel von gestern und von vorgestern war. Und von vorvorgestern. Dann holt er euer Pausenbrot heraus, klappt es auf, spuckt drauf, klappt es wieder zu und legt es zurück in die Büchse. Das kann doch so keiner mehr essen! Dieser böse alte Junge verkörpert für mich Edeka.
Vielleicht spielt auch eine Rolle, dass ich das alles wirklich selbst erlebt habe. Und dass er mich am Ende immer noch mit so einer professionellen Riesenklarsichtfolienrolle eingewickelt hat, wie es sie für Europaletten gibt, mit einem Klebeetikett drauf: „Heulsuse, Preis/Kilo: DM 7,99, Endpreis: DM 198,14“. Das ging auch immer ganz schlecht ab. Uli Hannemann
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